[SIZE=2]John Perry ist ehemaliger Soldat der Kolonialen Verteidigungsarmee der Menschheit und lebt nun, da er im Ruhestand ist, gemeinsam mit seiner Frau Jane Sagan und ihrer Adoptivtochter in der menschlichen Kolonie auf Huckleberry. Dort ist er der Ombudsmann eines Teils der Kolonie, ein Job, der sich aber im Laufe der Zeit eher zu dem eines Schlichters für innerdörfliche Streitigkeiten entwickelt hat. Im Prinzip ein sehr ruhiger Job, den er aber durchaus genießt. Eines Tages jedoch erhält er Besuch eines ehemaligen Vorgesetzten, der ihm ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann. Perry soll Leiter einer neuen Kolonie werden, einer Kolonie, die anders als alle früheren nicht aus Siedlern von der Erde besteht, sondern von einer Kombination von 2500 Siedlern aus 10 alten Kolonien gegründet werden wird. Da diese 10 Regierungen sich nicht auf eine Leitung einigen können, hat die Koloniale Union, die menschliche Organisation, die die Kolonisierung leitet, beschlossen einen neutralen Leiter einzusetzen und auf der Kandidatenliste war Perrys Name aufgetaucht.[/SIZE]
[SIZE=2]Wie gesagt, aus verschiedenen Gründen kann Perry diese Aufgabe nicht ablehnen und nimmt daher an – nicht unbedingt zur Freude der machtbewussten Anführer der Kolonistengruppen. Das Schiff, das die Kolonisten transportieren soll wird beladen, erste Streitigkeiten zwischen den einzelnen Gruppen müssen geschlichtet werden und schließlich beginnt die Reise. Das Schiff „skipt“ (eine Fortbewegung durch Zusammenfalten der Raumkrümmung) und vor ihm erscheint ein Planet. Nur leider ist es nicht wie erwartet Huckleberry, sondern ein vollkommen fremder Planet in einem vollkommen fremden Gebiet der Galaxis. Nach kurzen Momenten des Schreckens stellt sich heraus, dass nicht etwa ein Fehler passiert ist, sondern der Flug absichtlich umgeleitet wurde. Die Siedler erfahren, dass eine Gruppierung außerirdischer Völker, das sogenannte Konklave, beschlossen hat, die weitere Kolonisierung des Weltraums nicht einzelnen Völkern zu überlassen (mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen, wie Kriegen um einzelne Planeten), sondern zentral zu organisieren und nur sich selbst die Gründung neuer Kolonien zu gestatten. Die Koloniale Union wiederum hat beschlossen, sich diesem Diktat nicht unterzuordnen und durch Gründung einer weiteren, geheimen Kolonie, dem Konklave seine Machtlosigkeit zu demonstrieren.[/SIZE]
[SIZE=2]John Perry und seine Kolonisten finden sch nun in der unangenehmen Lage, eine geheime Kolonie aufbauen zu müssen , sich vor dem Konklave zu verstecken und gleichzeitig die Fallstricke der großen Politik zu vermeiden. Und gerade letztere hält noch viele Überraschungen für alle Beteiligten bereit…[/SIZE]
[SIZE=2]„Die letzte Kolonie“ ist der letzte Roman, den Scalzi in dem von ihm entworfenen und in den Vorgängerromanen „Krieg der Klone“ und „Geisterbrigaden“ beschriebenen Universum ansiedelt. Der Roman ist keine Fortsetzung dieser Romane sondern in sich geschlossen, jedoch handelt er von denselben Protagonisten. Dadurch ist eine Kenntnis der Vorgänger nicht nötig, an manchen Stellen jedoch sicher hilfreich. Auch unterscheidet sich „Die letzte Kolonie“ wohl auch deshalb von den Vorgängern, da die in den ersten Bänden scheinbar dominierenden Kämpfe in den Hintergrund gerückt sind. Dies ist jedoch keine gut fundierte Einschätzung meinerseits, da auch ich die Vorgänger bisher nicht gelesen habe, aber über sie gelesen habe, dass John Scalzi ihretwegen mit Robert Heinlein, dem Autor u. a. von Starship Troopers verglichen wurde. Aber die Vorgänger sollen hier nicht das Thema sein.[/SIZE]
[SIZE=2]„Die letzte Kolonie“ legt den Fokus der Handlung ins Politische. Nicht nur die einzelnen Kolonistengruppen, bzw. deren Anführer konkurrieren untereinander und gegen John Perry, auch innerhalb der Kolonialen Union brodeln Machtkämpfe, während diese gegen das Konklave kämpft, welches in sich auch nicht geschlossen ist. Scalzi begeht aber nicht den Fehler, den Leser direkt mit diesen komplexen Zusammenhängen zu konfrontieren. Er schildert die Folgen, die diese Machtkämpfe für die Protagonisten und die junge Kolonie haben. Der Leser erlebt aus dem Blickwinkel der Protagonisten wie Entscheidungen von Politikern und Militärs teils unerwartete Folgen haben und wie die kleine Kolonie versuchen muss, trotz aller Widrigkeiten zu überleben. Vielleicht ist meine Zusammenfassung ob ihrer Verkürzung nicht in der Lage dies zu transportieren, daher sei es angemerkt – dies macht das Buch ungemein fesselnd. Sehr ansprechend ist auch die Sprache, in der Scalzi dies alles verfasst hat (bzw. in die Bernhard Kempen es übersetzt hat): Sie brilliert in einem unglaublich lakonischen Grundton durch wunderbar trockenen Witz. Hier ein zwar nicht perfektes Beispiel aus dem Anfang des Buches zu Untermauerung dieser Aussage:[/SIZE]
[SIZE=2]„Ich war Savitri schon vor mehreren Jahren begegnet, während ich als offizieller Vertreter der Kolonialen Verteidigungsarmee eine Tour durch die Kolonien unternahm und Reden halten sollte. Als ich im Dorf Neu-Goa auf Huckleberry Station machte, stand Savitri auf und bezeichnete mich als Werkzeug des imperialistischen und totalitären Regimes der Kolonialen Union, worauf ich sie sofort ins Herz schloss. Als ich aus der KVA entlassen wurde, entschied ich, mich in Neu-Goa anzusiedeln. Man bot mir den Posten des Ombudsmans an, der die Interessen des Dorfes vertreten sollte. Ich nahm an und stellte am ersten Tag meiner Arbeit überrascht fest, dass Savitri in meinem Büro saß und mir sagte, dass sie meine Assistentin sein würde, ob es mir nun passte oder nicht.“ [/SIZE]
[SIZE=2]Diese und ähnliche Szenen machen das Buch kurzweilig und zu einem wahren Genuss – und sind vermutlich neben der interessanten Geschichte der Grund, warum „Die letzte Kolonie“ nach „Der Krieg der Klone“ bereits das zweite Buch der Reihe ist, das für den Hugo Award nominiert wurde.
[/SIZE] [SIZE=2]Jedoch ist die Begeisterung nicht ungetrübt und ich will nicht verhehlen, dass das Buch mehrere kleine Schwachstellen hat. Eine, nämlich dass die Beschreibung der Protagonisten und ihrer Motivation etwas zu knapp geraten ist und diese den Leser daher nicht so stark in ihren Bann ziehen, wie sie es eigentlich verdienen, liegt sicher in der Tatsache begründet, dass Leser der beiden Vorgänger die Protagonisten bereits kennen und in ihr Herz geschlossen haben. Eine genauere Beleuchtung der Protagonisten wäre für Kenner der Reihe redundant. Allein deswegen ist die vorhergehende Lektüre der Vorgänger zu empfehlen. Eine Zweite jedoch wiegt etwas schwerer. Ein wesentlicher Baustein des Plots, nämlich der Plan, den die Koloniale Union mit der Gründung der Kolonie wirklich verfolgt, ist einfach zu durchsichtig fehlerhaft. Dem Leser ist von vorneherein klar, dass dieser Plan nicht so funktionieren kann, wie die KU sich das vorstellt – und es ist nicht logisch begründbar, warum den geschilderten Polit- und Militärprofis ein derartiger Schnitzer unterlaufen soll. In diesem Moment machte sich bei mir eine leichte Verstimmung bemerkbar. Allerdings kann man diese Schwachstellen verzeihen, da sie natürlich für die weitere Entwicklung der Geschichte essentiell sind und folgende Handlungen der Protagonisten erst ermöglichen. Trotzdem führen diese und andere Schwachstellen dazu, dass ich den Roman zwar für gut halte, aber nicht davon ausgehe, dass er den Hugo Award auch erhalten wird – die Zeit wird zeigen, ob ich mit meiner Einschätzung recht habe.[/SIZE]
[SIZE=2]In Summe liegt mit „Die letzte Kolonie“ vor mir ein klassischer SF-Roman, der in meist hoher Qualität komplexes Geschehen in eine gute Geschichte verpackt und der fast jederzeit Lesefreude bereitet. Und auch wenn er offensichtlich einige noch offene Handlungsstränge der Vorgänger abschließt, sind diese so in die Geschichte verpackt, dass auch Neulinge in Scalzis Universum ihren Spaß haben werden. Insgesamt ein Autor, den man im Auge behalten sollte und dessen bisheriges Werk mehr als nur einen kurzen Blick wert ist.[/SIZE]
[SIZE=2]Für die Handlung 7-8 von 10 Punkte, für Kenner der Reihe auch gerne 9 Punkte.[/SIZE]
[SIZE=2]Der Autor, John Scalzi wurde am 10.5.1969 in Fairfield, Kalifornien geboren und lebt mit seiner Frau, Kristine und ihrer gemeinsamen Tochter Athena in Bradford, Ohio. Seit 1998 ist er als selbstständiger Autor tätig. Bisher hat er sechs Sachbücher und fünf Romane veröffentlicht, von den zwei für den Hugo Award nominiert wurden. Auch wenn der „Krieg der Klone“ diesen nicht erhielt, so erhielt Scalzi dafür den „John W. Campbell Award for Best New Writer“. [/SIZE]
[SIZE=2]P.S. [/SIZE]
[SIZE=2]Um Irrtümern vorzubeugen: [/SIZE]
[SIZE=2]Der Klappentext von „Die letzte Kolonie“ hat mit der Handlung des Buches nur insofern zu tun, als er eigentlich die Handlung der Vorgängerromane schildert. Nicht irritieren lassen ;)[/SIZE]