Ich lese sie immer wieder gerne – Regelbücher, die mich mit für mich neuen Systemen vertraut machen. Und so habe ich mich auch gefreut, dass ich die Chance habe, das 2007 im Verlag Sonnenfeste erschienene und im 13Mann Verlag vertriebene deutschsprachige Rolemaster-Regelbuch zu rezensieren.
Diese Freude wurde noch größer, als ich das Buch auspackte – haptisch ist es ein Erlebnis! Mit seinen knapp 300 Seiten mutet es wesentlich dünner an, liegt aber gut in der Hand und hat genau das richtige Gewicht. Der stabile, mit seiner dunkelbraunen Farbe und den Illustrationen sehr stimmungsvolle Einband umhüllt auf den ersten Blick erschreckend dünne Seiten, die sich jedoch als sehr stabil erwiesen – wichtig für ein Grundregelwerk, in dem häufig geblättert wird. Auch die Gestaltung dieser Seiten übertraf meine Erwartungen, farbiger Glanzdruck wohin das Auge reichte – qualitativ wesentlich hochwertiger als beispielsweise die Grundregelwerke von DSA, Shadowrun oder der WoD. Kurz gesagt eine tolle Qualität, es macht Spaß, das Buch in Händen zu halten und darin zu blättern.
Gleich auf den ersten Seiten stellt das Regelwerk klar, was es ist und was nicht. Rolemaster bietet ein ausgefeiltes Regelsystem, ohne eine Welt anzubieten, in der man mit diesem spielt. Vielmehr versteht es sich als System für den Einsatz in den Welten anderer Systeme oder in selbst entwickelten Welten. Jedoch ist dem Regelwerk anzumerken, dass man bei der Gestaltung der Rassen und Charaktere natürlich den Herrn der Ringe im Hinterkopf hatte. So ist auch der Beispielcharakter, anhand dessen einem die Charaktererschaffung näher gebracht wurde, an Aragorn/Streicher angelehnt.
Die Charaktererschaffung selbst verläuft auf Paketbasis. In der ersten Runde entscheidet sich der Spieler für eine der fünf im Grundregelbuch enthaltenen Völker (Menschen, Hochmenschen, Waldelf, Zwerg, Halbling), im Anschluss für einen der neun enthaltenen Berufe (Krieger, Dieb, Schurke, Kleriker, Magier Mentalist, Waldläufer, Trickser, Barde). Mit jedem dieser Pakete sind gewisse Boni verbunden, die die unterschiedlichen Ausbildungen und die volksspezifischen Vorzüge widerspiegeln. Die o.g. Berufe gehören wieder bestimmten Magiegruppen an, Krieger, Dieb und Schurke sind Magieunkundige, Kleriker, Magier und Mentalist reine Magiekundige, während die anderen drei Teilmagiekundige sind. Dies beeinflusst ihre Möglichkeit, Magie zu erlernen. Dabei ist es durchaus so, dass auch Magieunkundige in der Lage sind, Magie zu erlernen – es fällt ihnen nur wesentlich schwerer als Magiern und geht daher eingeschränkt und langsam von statten. Selbiges gilt auch für ungewöhnliche Volk-Berufskombinationen oder für ungewöhnliche Charakterentwicklungen. So verbietet nichts einem Magier, eine schwere Rüstung zu tragen. Da er jedoch das Tragen von Rüstungen nie gelernt hat, steigt sein Wert für die Rüstungen langsamer an als der eines Kriegers und jeder Anstieg wird teuerer bezahlt. Aber möglich ist der Magier in Kettenrüstung durchaus – nur eben schwerer.
Im Anschluss verteilt man 660 (oder 600 + 10W10) Punkte auf die auf die 10 Attribute, wobei bei den 5 primären Attributen Mindestanforderungen erfüllt werden müssen. Attribute liegen zwischen 1 und 100 – Rolemaster nutzt also ein W%-System. Aus diesen Attributswerten errechnet man die potentiellen Attributswerte des Charakters – quasi die für ihn erreichbaren Obergrenzen. Dann geht es weiter mit der Charaktererschaffung: Abhängig vom Volk erhält man nun Punkte auf Fertigkeiten und Fertigkeitsgruppen, die man in der Jugend des Charakters trainierte sowie eine Anzahl an Hobbyfertigkeitspunkten. Diese Punkte laufen unter dem Begriff Ränge. Ebenfalls abhängig vom gewählten Volk erhält man nun eine Anzahl Hintergrundoptionen – also z.B. besondere Ausrüstung. Additiv zu den Fertigkeitsrängen aus der Berufsausbildung kann man nun auch noch Ausbildungspakete kaufen. Gekauft werden diese durch Ausbildungspunkte, die sich aus der Summe der 5 Entwicklungsattribute berechnen. Die Kosten für die Ausbildungspakete sind dabei abhängig vom gewählten Beruf. Dann summiert man die aus den getroffenen Wahlen Fertigkeitsränge. Die Ränge sind dann auch die Punktzahlen, die sich durch Einsatz von Erfahrungspunkten im Spiel steigern lassen. Aus einer Liste kann man nun ablesen, wie vielen Fertigkeitsbonuspunkten die erwordenen Ränge entsprechen – auf diese werden nun noch die Boni der passenden Fertigkeitsgruppen (in die schon die Attributsboni eingeflossen sind) addiert und schon erhält man für jede Fertigkeit einen Wert. Die Attributsboni, die man aus den gewählten Paketen erhielt, werden getrennt notiert und werden später bei Proben benötigt. Nach einigen Gedanken zu Konzept und zur Welteinstellung des Charakters – für die es ebenfalls eine Tabelle gibt, die man bei Bedarf zu Rate ziehen kann – kann es eigentlich losgehen.
Im Spiel wird auf bekannte Weise der Würfel über Erfolg oder Misserfolg der Taten der Charaktere entscheiden – Rolemaster verwendet hierfür ein einheitliches und recht schnelles Würfelsystem:
Der Spieler wirft mit dem W100, addiert seinen Fertigkeitsbonus, subtrahiert alle Mali und erhält somit ein Würfelergebnis. Abhängig von der Schwierigkeit des Manövers lässt sich nun in einer Tabelle Erfolg oder Misserfolg, dessen Qualität und eventuelle Folgen entnehmen. Ähnlich verlaufen auch Kämpfe: Der Angreifer wirft den W100, addiert seinen Offensivbonus (den u.U. modifizierten Wert in der Waffenfertigkeit), subtrahiert den Defensivbonus des Verteidigers (der sich aus dessen Rüstung etc. ergibt) und schlägt in der Tabelle das Ergebnis des Angriffs nach. Rolemaster unterscheidet hierbei zwischen verschiedenen Schadensarten, wobei beispielsweise kritische Treffer andere Folgen haben als einfach nur Schadenspunkte. Selbiges System gilt prinzipiell auch für die Magie.
Die Entwicklung der Charaktere im Spiel erfolgt stufenweise – wobei abhängig vom erlernten Beruf Talente zu verschiedenen Erfahrungspunktkosten gesteigert werden können. Hier findet sich auch eine Beschränkung des Grundregelwerks – Zauber sind nur bis zur 10. Stufe beschrieben – höhere Stufen werden in gesonderten Regelwerken veröffentlicht – ebenso wie andere Völker und Berufe.
Soviel Einblick in das System sollte fürs erste reichen. Was soll man nun dazu sagen? Ich denke, Rolemaster spaltet die Spielergemeinde zu Recht. Einerseits bietet es mit seinen Tabellen und den Berechnungen ein sehr realistisches System- gerade die Beschreibungen der Treffer – inklusive Ort und Aussehen des Treffers abhängig von der verwendeten Waffe sowie die verschiedenen Schadensarten sind einfach etwas anderes als ein lapidares 8 Trefferpunkte und eventuell ein Wurf auf der Zonentabelle. Andererseits bietet es einfach unglaublich viele Tabellen. Das Grundregelwerk umfasst zur Hälfte Tabellen und deren Aufschlüsselung – da ein Axtschlag zwar dasselbe System verwendet wie ein Bolzenschuss aus der Armbrust, aber natürlich anderen Schaden macht. Das erfordert viel Improvisation des SLs, oder aber häufiges Blättern. Auch ist es sehr interessant, dass man in einer Aktion auch verschiedene Dinge tun kann – man muss nur prozentual seine Aufmerksamkeit verteilen und daraus resultierende Mali verrechnen. Und so trägt es den Spitznamen „Rulemonster“ nicht zu Unrecht. Das ist jedoch eine Geschmacksfrage. Was mir viel eher ungewöhnlich vorkommt, ist dass ich keine Einflüsse unterschiedlicher Kampfstile gefunden habe – ich nehme aber an, dass dies der Tatsache geschuldet ist, dass es sie hierbei um das Grundregelwerk handelt.
Auch die Sprache im Buch ist nicht immer so gewählt, dass sie das Verständnis fördert – ich kenne zwar das Original nicht, nehme aber an, dass das auch in der englischen Version der Fall sein dürfte und nicht etwa eine eigenartige Übersetzung gewählt wurde.
Für wen ist dieses System nun aber einen Blick wert? Im Prinzip für alle, denen viel an realistischer Gestaltung der Regeln liegt – auch wenn dies mehr Komplexität und mehr Arbeit bedeutet. Derjenige erhält mit Rolemaster aber auch ein System, das, soweit ich das sagen kann, einheitliche Regeln verwendet. Dies ist ja beileibe3 nicht bei jedem komplexen System so. Und ein System, das die komplizierten Berechnungen vom Spieltisch weg in die Charaktererschaffung verlegt hat – am Spieltisch bleiben nur schnelle Würfe und eben nachschlagen – auch dies kennt man anders aus Systemen, bei denen Taschenrechner am Tisch nicht schaden. Und bei diesen Berechnungen unterstützt der Verlag auch seine Kunden dadurch, dass er ein Exceldokument mit den wichtigsten Formeln auf seiner Seite bereitstellt.
Für jemanden wie mich, der z.Z. der Meinung ist, auf Realismus zugunsten einfacher und schneller Systeme verzichten zu können, bietet Rolemaster zwar interessante Einblicke und ein wirklich schönes Buch – aber sonst leider wenig reizvolles (bis auf das Wissen, dass auch in komplexen Systemen einheitliche Regelungen für die Abhandlung von Erfolgsproben möglich sind!)
Mein Dank gilt an dieser Stelle dem 13Mann-Verlag, sowie erneut den rpg-foren.com und dsa-fantasy.de.
Wenn Fragen sind – raus damit, jetzt ist die Erinnerung noch frisch - ich schlage aber auch gerne noch nach!