[SIZE=3]Pelgram kam 5 Minuten zu spät zum gemeinsamen Abendessen in Karolines Kajüte. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, stellte er eine kleine Holzfigur vor Luca auf den Tisch. Dann nahm er sie noch einmal hoch, zog seinen Dolch und entfernte einen Splitter. Es pustete anschließend über die Figur und stellte sie erneut vor Luca ab. “So, jetzt aber fertig!” Es war unübersehbar, dass er diese Figur wohl gerade selbst geschnitzt hatte. Sie stellte einen Menschen mit Flügeln und verbundenen Augen dar. Es war kein Kunstwerk, aber doch sehenswert. “Das ist Shifar, der Gott des Schicksals der Mai Dong. Nimm ihn als Entschuldigung für mein Fehlverhalten von heute Nachmittag.” Er verbeugte sich leicht vor Luca. “Nai’ong Shifar quing alta Luca!” dozierte er, dann setzte er sich an den Tisch.
“Timeo Danaos et dona ferentes”, antwortete Karoline auf diese Vorstellung und schloss mit einem “Guten Appetit, allerseits!” Pelgram blickte etwas irritiert, lies sich dann aber den ersten Bissen schmecken, bevor er antwortete: “Das heißt: [/SIZE][SIZE=3] Möge Shifar Lucas Schicksal bewahren!” - Und was sagtest Du, liebe Karoline, wenn ich fragen darf?"
“Nichts Bedeutendes! - Unwichtig!” antwortete diese und blickte nach Luca, um festzustellen, ob sie diesen lateinischen Satz verstanden hatte.
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[SIZE=“3”]Zum ersten Mal seit geraumer Zeit war ich zuversichtlich und gelassen. Meine Zweifel schwiegen und ich war bereit, den Weg weiterzugehen. Auch wenn ich nicht wusste, was an seinem Ende lag.
Fast fröhlich betrat ich Karolines Kajüte, grüßte freundlich und widmete mich dann dem Essen.
Als Pelgram mit Lucas Geschenk auftauchte, war ich angenehm überrascht. Karolines Worte verstand ich nicht, aber in ihrer Miene konnte ich um so deutlicher lesen - fast als hörte ich ihre Gedanken als Echos der meinen. Ich grinste. und wartete gespannt auf Lucas Reaktion. [/SIZE]
[SIZE=“3”]Schweigend aß ich mein Essen und starrte, vor Müdigkeit, einfach nur in die Gegend. Ich hatte gestern Abend kaum bis garnicht geschlafen und fühlte mich dem entsprechend. Als die Tür auf ging, blickte ich nicht auf ob nun Pelgram oder Eluned hineintraten, erst als eine mittelgroße Holzfigur ihren Platz vor meiner Nase fand, blinzelte ich. Als sie kurz darauf wieder verschwunden ist, blinzelte ich umso mehr. Dann tauchte sie wieder auf. Die Augenbrauen nach oben ziehen, blickte ich auf und hörte Pelgrams tiefe Stimme. Nachdem er geendet hatte blickte ich erneut auf die Figur und musste sogar etwas lächeln, dass er sie wohl selber geschnitzt hat.
Mein Blick ging abermals zu Pelgram, der sich grade gesetzt hatte. “Ich war nicht unschuldig!” meinte ich und nickte ihm lächelnd zu. Dann hörte ich die lateinischen Worte und blickte zu Karoline. “Amicus certus in re incerta cernitur…Ex iniuria ius non oritur…Ex facto ius oritur!”
Ich lächelte vage, dann widmete ich wieder meinem Essen.[/SIZE]
[SIZE=3]Karoline blickte verdutzt zu Luca. Ihre widerstreitenden Gefühle waren auf ihrem Gesicht gut erkennbar. Doch schließlich nickte sie Luca anerkennend zu und aß weiter. Pelgram schien völlig verwirrt und blickte zwischen den beiden hin und her. Dann wandte er sich Eluned zu und sagte für alle vernehmbar in Come’Tang: “Vielleicht sollten wir beide uns auch mal in einer Sprache unterhalten, die sonst keiner versteht.” Dann lachte er laut los und löste damit die Spannung.
Der Rest des Abendessens verlief in einer lockeren Atmosphäre. Danach begaben sich alle an Deck und genossen erneut den schönen Sonnenuntergang jedoch ohne die Melancholie von gestern Abend. Schließlich begaben sich alle nach und nach in ihre Kojen. Gute Nacht!
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Es war dunkel. Irgendwie dunkler als gewohnt. Eluned und Luca erwachten in ihrer gemeinsamen Kajüte fast gleichzeitig, ohne dass dies ihnen gewahr wurde. Sie spürten einander mehr, als dass sie sich sahen. Jede wusste einfach nur irgendwie, dass die andere auch wach war. Irgendetwas war anders. Es war ungewöhnlich still auf dem Schiff und dessen Bewegungen waren ebenfalls nicht so wie gewohnt. Anstatt dem ewigen Auf und Ab vollführte die Seasprite anscheinend irgendwie langsame, kreiselnde Bewegungen aus. So richtig zum schlecht werden. Es fehlten die Geräusche, die der Wind in der Takelage machte und das beständige Rauschen des Wassers. Es gab keine Stimmen, die wie sonst auch gedämpft in die Kabine drangen. Das Ganze wirkte überaus unheimlich. Dann hörten die beiden Frauen Schritte. Schritte auf einem Niedergang. Offensichtlich ging jemand oder etwas nach oben und entfernte sich von ihnen.
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[SIZE=“3”]Von dieser unheimlichen Stille und Dunkelheit umfangen, spürte ich mein Herz vor Angst bis in den Hals schlagen und mein Atem beschleunigte sich, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich fühlte die Enge des Schiffes mit einem Male noch viel stärker als zuvor.
Nichts desto trotz sprang ich einen Lidschlag nachdem ich erwacht war auf und packte nach dem Katzbalger und dem Entermesser, die griffbereit am Kopfende meiner Schlafstatt gelegen hatten.
Wenn ich etwas tat, wenn ich handelte, konnte ich meine Angst in Schach halten. Barfuss, nur in Unterrock und Hemd ging ich Richtung Tür, die ich in der Dunkelheit eher erahnte als sah. Dann stiess ich sie schwungvoll auf und trat hinaus:
“Wer da? Erklärt Euch!” rief ich mit lauter, fester Stimme den Schritten hinterher. [/SIZE]
[SIZE=“3”]Ich öffnete die Augen. Dunkelheit… nichts als Dunkelheit. Beklemmende Stille… es war so ruhig, dass ich das Gefühl hatte viel zu laut zu denken. Jeder Gedanke wurde durch das 10-fache verstärkt und ich hatte schon Befürchten, dass Eluned meine Gedanken hören konnte.
Als sie aufsprang, setzte ich mich auf und folgte ihr. Ebenfalls Barfuß und nur mit übergroßem Hemd bedeckt, stand ich hinter ihr und lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Doch ich konnte nichts hören…nichts sehen. Lediglich fühlen, und zwar nur eine Beklemmung…[/SIZE]
[SIZE=3]Die Schritte hielten inne, dann kamen sie zurück. Am Niedergang erschien eine dunkle, schattenhafte Gestalt. Sie war groß, menschlich und deutlich erkennbar trug sie Waffen an beiden Seiten der Hüften. Das Gesicht war den Frauen zugewandt, blieb aber in der Dunkelheit verborgen. “Macht nicht solch einen Lärm!” ertönte die gedämpfte, aber doch erkennbar belustigt klingende Stimme Pelgrams herüber. “Kommt lieber mit nach oben! - Aber … zieht euch vorher etwas Anständiges an!” Offensichtlich besaß Pelgram eine ausgezeichnete Nachtsicht!
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[SIZE=“3”]Ich war so erleichtert, Pelgrams Stimme zu hören, dass ich für einen Moment die Augen schloss. Nicht, dass es die Situation weniger unheimlich machte, aber meine Anspannung löste sich ein wenig. Als ich mir vergegewärtigte, was für einen Eindruck Luca und ich wohl gerade machen mussten, konnte auch ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.
“Ist gut.” antwortete ich knapp in der gleichen Lautstärke, in der Pelgram zuvor gesprochen hatte, machte kehrt und verschwand wieder in der Kajüte.
Ich zog mich trotz einiger Eile sorgfältig an. Die Messerscheiden brauchten etwas Zeit, aber ich wollte auf keine verzichten. Luca war schon längst fertig, als ich soweit war und nach oben ging.[/SIZE]
[SIZE=“3”]Auch ich war erleichtert, als ich Pelgrams Stimme vernahm. In diesem Moment war sie wohlklingend und erfüllte mich mit ein bisscher mehr Mut.
Eluned zog sich schnell, aber sehr sorgfältig an und ich hatte lediglich meine Hose übergestreift und die Stiefel dazu angezogen. Das Hemd war noch immer viel zu groß, doch war mir das zur Zeit egal.
Ungeduldig wartete ich auf Eluned, bis wir dann gemeinsam Pelgram folgten.[/SIZE]
[SIZE=3]Als die beiden Frauen zusammen mit Pelgram an Deck ankamen, wurden sie bereits von Karoline erwartet. Es schien, als wäre die ganze Mannschaft der Seasprite an Deck. Das Schiff stand zwar unter Vollzeug, aber die Segel hingen schlaff an den Rahen. Der Wind war eingeschlafen und die Seasprite rollte einfach so durch die Dünung und konnte nur mit Mühe Kurs halten. Der Mond war bereits untergegangen und es standen nur noch die Sterne am Himmel. Am Horizont in Fahrtrichtung tauchten immer wieder grüne, rote, blaue und gelbliche Lichter auf, die in unterschiedlichen Längen über das Firmament zogen und dabei seltsame, groteske und bizarre Streifen an das Himmelsgewölbe malten. Die Mannschaft der Seasprite stand verstreut an Deck und beobachtet dieses Phänomen in ehrfürchtigem Schweigen. Pelgram deutet nach vorn und flüsterte: “Die Drachen wandern wieder! Ich habe schon oft davon erzählen hören, aber so unglaublich schön hatte ich es mir nicht vorgestellt. Seht doch. Drachen aller Völker repräsentiert durch ihre Farben!” Auch Karoline schien fasziniert und beobachtete das Geschehen schweigend.
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[SIZE=“3”]Ich gelangte kurz nach Eluned und Pelgram auf das Deck und atmete knapp ein. Kaum ein Lüftchen rührte sich, kaum ein Haar bewegte sich. Die Arme vor der Brust verschrenkt trat ich an die Reling und staunte:
Der Horizont war über und über mit bunten Lichtreflexen übersäht und bot eine wahrlich himmlische Kulisse. Ich starrte die tanzenden Lichtkegel an und konnte mich kaum satt sehen an der farbenfrohen Pracht. Als Pelgram sagte, dass jede Farbe für ein Land steht, welches der Drache repräsentierte blickte ich ihn von der Seite her an und beobachtete seine Reaktion. Er musste es doch kennen, er musste doch eine Ahnung haben.[/SIZE]
[SIZE=“3”]Als ich an Deck trat, hatte ich nicht damit gerechnet, die ganze Mannschaft hier versammelt zu sehen. Erstaunt blickte ich mich um und da aller Blicke zum Himmel gerichtet waren und auch Pelgram dorthin deutete, sah auch ich in diese Richtung.
Obwohl ich nur Geschichten über dieses Ereignis gehört hatte, war auch mir in dem Moment klar, was das für ein Schauspiel am Firmament war, als ich es sah.
Ich war tief berührt. Mir stiegen Tränen in die Augen und auf meinen Armen stellten sich die feinen Häarchen auf. Still dankte ich der Dunklen Königin, dass ich Zeuge dieses Wunders werden durfte und sah weiter andächtig zu.[/SIZE]
[SIZE=3]Während Luca an die Reling gegangen war, blieb Eluned mitten auf dem Deck stehen. Trotzdem dauerte es Minuten, bis sie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Die Unnatürlichkeit der Stille erdrückte Eluned fast und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Außer Pelgram, Luca und ihr selbst rührte sich tatsächlich niemand. Keiner, selbst Karoline sagte etwas, niemand der Matrosen juckte sich am Kopf oder änderte seine Stellung. Alle standen starr, wie ein Wachsfigurenkabinett.
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[SIZE=“3”]So glücklich ich einen Moment zuvor noch gewesen war, so unwohl wurde mir jetzt. Mein Mund wurde trocken, als sich in meinem Magen ein eiskalter Klumpen Angst bildete. Ich sah mich um, ging zwischen den reglosen Menschen hindurch, versuchte ihnen in die Augen zu schauen - aber da war nichts. Niemand zuhause.
Erschrocken blickte ich Pelgram an: “Was geht hier vor sich?” meine Stimme war nur noch ein Flüstern, aber es schien mir entsetzlich laut durch die Stille zu hallen. Dann ging ich hinüber zur Reling - ich wollte das Wasser sehen. [/SIZE]
[SIZE=“3”]Als ich meinen Blick für einige Sekunden von dem Schauspiel lösen konnte, sah ich , wie Eluned zwischen den anderen hin und her lief. Stirnrunzelnd wollte ich sie gerade fragen, was sie denn hatte, als mir selber auffiel, dass die anderen sich so garnicht rühren wollten. Keiner von ihnen rührte sich… nicht ein einziger, kein Haar, kein Tau, keiner regte sich und keiner gab irgendeinen Ton von sich…
Angst umschloss meine Kehle, mein Herz, ließ Blut gefrieren und machte mir das Atmen schwer. Ich keuchte und starrte hinüber zu den Lichtkegeln. Dann schaute ich zu Pelgram. “Was!?” brachte ich nur hervor, nachdem Eluned die Frage bereits gestellt hatte. [/SIZE]
[SIZE=3]Pelgram zuckte zusammen. Jetzt hatte auch er es bemerkt. Das Wasser schien normal zu sein. Der Wind war eingeschlafen. Das Schiff ächzte und knarrte wie immer. Man hatte sich nur so daran gewöhnt, dass man es im ersten Moment nicht wahr nahm. Es waren nur die Leute, die erstarrt waren. Pelgram ging zu Olil und sprach ihn an. Keine Reaktion. Pelgrams Hand zuckte und verpasste ihm eine Ohrfeige. Doch auch das wirkte nicht. Im Gegenteil: Olils Kopf gab nicht nach und Pelgram verstauchte sich dabei fast das Handgelenk. Er dreht sich um zu Luca und Eluned. “Zu mir! Schnell! Wir bleiben dicht zusammen.” Dann wurde er mal wieder übergangslos zum Kämpfer mit erhöhter Wachsamkeit. Dorn und Leid flossen förmlich in seine Hände. Er ging leicht in die Knie und begann in alle Richtungen zu sichern.
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[SIZE=“3”]Ich reagierte sofort und nahm mir nichtmal die Zeit, die Stirn zu runzeln. Bis ich neben Pelgram stand, hatte auch ich meine Waffen in der Hand. Erst dann nahm ich mir die Zeit mich erneut wachsam umzusehen. Ich wusste nicht, was er erwartete, aber ich deckte seinen Rücken - als Luca zu uns kam, zog ich sie zwischen uns.[/SIZE]
[SIZE=“3”]Auch ich verlor keine Sekunde länger als nötig und eilte herüber zu Pelgram. Unwissend, was nun geschehen würde, hockte ich mich zwischen Eluned un Pelgram. Ich hatte meine Waffen nicht mit genommen, und war so ziemlich wehrlos. Inständig hoffend, dass dort nichts kommen möge und Pelgram sich lediglich etwas zu sehr sorgte, wartete ich ab was nun passieren würde[/SIZE]
[SIZE=“3”]Ich seufzte, als ich Luca ohne Waffen sah. Dann griff ich an mein linkes Bein und zog den Dolch aus der Stiefelscheide und reichte ihn ihr mit dem Griff voran.[/SIZE]
[SIZE=“3”]Ich nahm den Dolch von Eluned an und nickte ihr zu. “Danke” meinte ich, ehe ich mich erneut konzentrierte. Es war so still, dass ich das Gefühl nicht abschütteln konnte, irgendetwas zu überhören… vor lauter Anstrengung nichts zu überhören.[/SIZE]