Titel: Runequest 6
System: Runequest
Autor: Pete Nash und Lawrence Whitaker
Illustration: Sarah Evans, Dan MacKinnon, Pascal Quidault, Lee Smith u.a.
Genre(s): Fantasy
Aufmachung: z.B.: Hardcover
Seiten: 464
Format: DIN A4
Verlag: Runequest Gesellschaft e.V.
Erscheinungsdatum: 4. November 2016
ISBN-13: 978-3957890627
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Runequest gehört unbestritten zu den gestandenen Veteranen der Rollenspielsysteme. Seit 1978 kann man nun schon damit in fantastische Welten abtauchen und Abenteuer bestehen. Das Regelgrundgerüst, genannt Basic-Role-Playing, kennt man zudem aus vielen anderen RPGs wie Sturmbringer oder Cthulhu. Runequest selber ist allerdings schon seit vielen Jahren von der Bildfläche der deutschsprachigen RPGs verschwunden. Dieser bedauernswerte Zustand hat nun aber ein Ende. Denn das aktuelle Regelwerk von Runequest in der 6. Edition wurde nun endlich übersetzt und veröffentlicht.
Verantwortlich dafür ist die deutsche Runequest Gesellschaft e.V., die schon 2014 eine übersetzte PDF-Version veröffentlichte. Mit Hilfe eines Crowdfundings wurde es dann in gedruckter Form finanziert, und ist nun seit Ende 2016 im Handel erhältlich. Dabei wurde zusammen mit dem Grundregelbuch ein Spielleiterschirm und ein kleines Heft mit zwei Abenteuern, sowie einem passenden Schuber finanziert. Diese Rezension bezieht sich auf die Standard Version des Buches.
Die Umsetzung als Print hat sich hier auf jeden Fall gelohnt. Buch, Spielleiterschirm und Schuber sind von hervorragender Qualität und machen aufgrund ihres schönen Coverdesigns in dunklem blau auch wirklich was her. Dabei ist der verwendete Karton robust und hochwertig, sodass dieser schöne Eindruck wohl auch nach vielem Spielen noch bestehen bleibt. Anders als das Cover ist das Innere des Buches vollständig in schwarz/weiß gehalten. Die zahlreichen Zeichnungen sind ebenfalls nicht coloriert. Wer schonmal einen Blick in eines der älteren Runequest Bücher geworfen hat, wird den Stil sofort wiedererkennen. Und da die Zeichnungen sehr gut gelungen sind und die ganze Aufmachung des Buches sehr durchdacht wirkt, stört das Fehlen von farbigen Illustrationen in keinster Weise. Vielmehr macht es fast schon den besonderen Stil von Runequest aus.
Ebenfalls sehr gut gefallen hat mir die kluge Aufteilung des Buches. Es wurden zahlreiche und durchweg sinnige Überschriften gesetzt. Damit und mit Hilfe des guten Inhaltsverzeichnisses und des Index am Ende findet man gesuchte Stellen schnell und bequem wieder. Ebenfalls sehr gut gelungen ist die Aufteilung der einzelnen Seiten mit den durchgängigen Seitenbalken. Darin werden Regelpassagen mit ausführlichen Beispielen erklärt. Diese Erklärungen sind meist mit einem von zwei Charakteren verknüpft. So kann man im Verlauf des Buches von der Erstellung dieser Charaktere bis zu ihren ersten Abenteuern mitlesen.
Worauf ich ebenfalls noch besonders hinweisen möchte, ist die qualitativ sehr gute und gelungene Übersetzung der Texte. Beim Lesen des Buches sind mir keine größeren Rechtschreibfehler aufgefallen. Lediglich die Verwendung der Begriffe “Bonusse” und “Malusse” hat mich etwas gestört, obwohl diese ja keine Fehler sind. Die altmodischen Boni und Mali hätten mir aber trotzdem besser gefallen.
Das Regelgerüst von Runequest ist einfach, gut anpassbar und schnell verständlich. Charaktere werden über eine Reihe von Attributen und Fertigkeiten definiert. Diese haben, je nachdem wie gut der Charakter in etwas ist, einen niedrigen oder hohen Wert. Bei einer Probe muss der Wert mit einem W100 unterwürfelt werden. Je nachdem, wie schwer die Handlung ist, kann der Wurf dann noch weiter erschwert oder auch erleichtert werden.
Bei diesem Beispiel kann man sehr gut eine der Stärken dieses Systems zeigen, nämlich die Flexibilität, sich an verschiedene Vorlieben der Spieler anzupassen. So gibt es etwa zwei unterschiedliche Arten, einen Wurf zu erschweren. Entweder kann man, je nach Schwere des Wurfes, nur auf einen Bruchteil des Fertigkeitswertes würfeln. So wird der Wert bei einem schweren Wurf etwa um ein Drittel verringert. Bei einem unglaublich schweren Wurf sinkt der Wert sogar auf ein Zehntel des Ausgangswertes. Will man dagegen eine einfachere und schnellere Methode, den Wurf zu erschweren, so zieht man einfach feste Zahlenwerte vom Fertigkeitswert ab. Bei den beiden vorher genannten Schwierigkeitsgraden bedeutet dass dann einfach einen Abzug von 20 bzw. 80. Beide Varianten sind fest im System vorgesehen und tauchen in den Tabellen sogar nebeneinander auf.
Diese Modularität zieht sich durch das gesamte System. So findet man für fast alle Gelegenheiten Modifikationstabellen und kleine Regelpassagen. Was anfangs dabei vielleicht kompliziert wirkt, entpuppt sich schnell als gut durchdacht. Denn die meisten dieser Regeln ergeben sich alleine dadurch, dass man die Grundprinzipien des Systems anwendet. Auf diese Weise funktioniert es auch recht gut, wenn man mal eine Regel nicht nachschlägt, sondern nach Gefühl improvisiert. Das führt auch gleich zum zweiten großen Vorteil der Regeln. Denn durch die konsequente Benutzung der Grundmechaniken und die Einteilung der Spielwerte in ein Prozentsystem werden die Regeln einfach zu verstehen, egal ob man Anfänger ist oder Runequest schon seit Jahrzehnten spielt.
Speziell erwähnen möchte ich noch das Magiesystem, das mir besonders gut gefallen hat. Denn anders als andere Fantasy-Systeme wird der Gruppe hier nicht eine feste Spielweise vorgegeben. Vielmehr kann man an vielen Stellschrauben drehen, um die Magie genauso wirken zu lassen, wie man es in der eigenen Gruppe haben möchte. Das fängt bei den fünf verschiedenen Magiedisziplinen an, die alle unterschiedlich wirken und angewandt werden. Animismus konzentriert sich etwa auf die Beschwörung von Geistern, während man bei der Mystik verborgene Energien des eigenen Körpers aktiviert. Daneben gibt es noch Theismus (göttliche Magie), und die beiden Klassiker Zauberei und Volksmagie. Für die eigenen Welt kann man frei aus diesen Magieformen wählen, welche man zulassen möchte und welche nicht. Außerdem kann man auch festlegen, auf welche Weise Manapunkte regenerieren und so festlegen, wie mächtig Magie ist. Das reicht davon, dass sich das Mana einfach jeden Morgen neu auffüllt bis zu Ritualen und Opferungen, die durchgeführt werden müssen, um wieder neue Energie für Magie zu erlangen.
Alles in allem hat mir die neueste Version von Runequest sehr gut gefallen. Es ist sich treu geblieben und kann trotzdem locker mit moderneren Rollenspielen mithalten. Aufmachung und Qualität der Bücher wie auch der Texte sind exzellent. Besser hätte man einen Neustart auf den deutschen Rollenspielmarkt wirklich nicht hinbekommen können. Ich hoffe, dass die Verkaufszahlen auch dementsprechend stimmen werden und man demnächst viele neue Runequestrunden finden wird.
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[39/40] - Kreativität
[38/40] - Spielspaß
[9/10] - Aufmachung
[10/10] - Preis/Leistungs-Verhältnis
96% - gesamt
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