Terra Mystica
Von Helge Ostertag und Jens Drögemüller
[COLOR=“Cyan”]Worum geht´s?
Das mystische Land, von dem hier die Rede ist, wird von einer Vielzahl an Völker bewohnt. Es finden sich hier arbeitswütige Halblinge, riesige Giganten, dunkle Alchimisten, sagenumwobene Auren, sture Zwerge, naturliebende Hexen und noch viele weitere Kreaturen auf recht engen Raum.
Diese Völker bevorzugen natürlich für ihre Siedlungen und Städte eigene Landschaften. So leben die Hexen gerne in Wälder, die Zwerge in den Bergen, Nomaden ziehen durch Wüsten und die Alchimisten benötigen Sümpfe für ihren Bedarf an Schwefel oder ähnlichem.
Glücklicherweise haben die Völker die Kunst des „Terraforming“ perfektioniert. So können sie Landschaften zu ihren Gunsten verändern und dann ihre Siedlungen darauf errichten. Leider kann es geschehen, dass ein anderes Volk ihnen zuvorkommt und damit den Platz wegnimmt. Insbesondere da natürlich gewisse Landschaften schwerer für den eigenen Bedarf verändert werden können als andere. Zum Beispiel ist es recht kostspielig und arbeitsaufwändig aus einem Wald eine Sandwüste zu machen (und umgekehrt natürlich auch), während die Umwandlung einer Seenlandschaft in eine Sumpflandschaft etwas einfacher zu gestalten ist.
Die Spieler übernehmen die Rolle eines Volkes und versuchen möglichst viele Siedlungen oder gar Städte zu gründen. Hierbei müssen sie Landschaften verändern um ihre Gebäude darauf zu bauen, die dann zu Handelshäusern, Tempeln, Festungen oder gar Heiligtümern ausgebaut werden können.
Auch die vier Kulte (Feuer, Wasser, Erde und Luft) dürfen nicht vernachlässigt werden. Denn die Elemente bringen weitere Macht, die man dringend zur Ausdehnung des Volkes benötigt.
[COLOR=“Cyan”]Inhalt
Terra Mystica enthält großartiges Material. Die Grafiken von Dennis Lohausen sind grandios und äußerst stimmig. Der Spielplan zeigt einen Teil der Welt mit ihren unterschiedlichen Landschaftsformen. Weiter findet man einen separaten Kultplan mit den vier Kultskalen, dutzende dicke Marker (Gunstplättchen, Rundenbonuskarten, Wertungsplättchen und Stadtmarker), sowie 56 Landschaftsmarker. Die sieben Völkertableaus der insgesamt 14 Völker (Vorder-und Rückseite) sind wunderschön gestaltet und vor allem an Übersichtlichkeit kaum zu überbieten.
Abgerundet wird das Material durch Spielsteine aus Holz in sieben Farben. Sie stellen die Wohnhäuser, Handelshäuser, Festungen, Tempel, Priester, Brücken usw. dar. In ihrer Form sehr funktional…aber passend und weiterhin stimmig. Nur die Arbeiter werden sehr nüchtern durch einfache Holzwürfel dargestellt und wirken deshalb im Vergleich zum restlichen Material etwas unpassend.
Die sehr gut illustrierte Anleitung führt den Leser wunderbar in die nicht zu komplexen Regeln ein und geizt auch nicht mit stimmigen Hintergrundtexten zu den Völkern. Es gibt Übersichten über die verschiedenen Vorteile der Völker und der Bedeutung aller Marker.
Insgesamt kann man also sagen, dass Terra Mystica nicht nur ein wunderschön ausgestattetes Spiel ist, sondern in diesem Bereich sogar alle Erwartungen weit übertroffen hat.
Ob die dazugehörigen Regeln ebenso die Erwartungen halten oder gar übertreffen können, lest ihr im nächsten Abschnitt.
[COLOR=“Cyan”]Das Spiel
Zuerst wählen die Spieler eines der 14 im Spiel vorhandenen Völker aus und nehmen sich anschließend das passende Tableau. Es gibt 7 unterschiedliche Landschaften und dazu 7 farblich passende Tableaus, die jeweils zwei Völker zeigen. Somit kann also je Landschaft nur ein passendes Volk an einem Spiel teilnehmen. Jedes Volk unterscheidet sich in diversen Bereichen voneinander. Auch verfügt jedes Volk über einen eigenen Vorteil beim Bau einer Festung. Insofern ist alleine durch die Wahl des Volkes für Abwechslung gesorgt. Denn natürlich muss der Spieler seine Strategie auf die Gegebenheiten seines Volkes ausreichend anpassen.
Auf dem Tableau werden alle Gebäude platziert. Außerdem sind auf dem Tableau auch drei „Schalen“ der Macht zu sehen. Hierauf werden 12 Machtchips nach vorgegebener Anzahl auf zwei der Schalen verteilt. Die Macht hat im Spiel eine große Bedeutung…aber darauf komme ich später noch zurück.
Auf dem Tableau stehen alle spielrelevanten Details des jeweiligen Volkes. So kann hier die spezifische Eigenschaft, sowie der jeweilige Vorteil der Nation erfasst werden. Auch steht hier das Startkapital, Anzahl der Arbeiter zu Spielbeginn und eventuelle Startstufen bei den Kultskalen. Weitere Dinge, wie die Seefahrtstufe oder die Umrechnung der Arbeiter zu Spaten sind hier ebenso zu finden.
Spaten?
Ja, Spaten. Denn im zentralen Bereich des Tableaus findet sich ein Umwandlungskreislauf. Hierauf ist immer ganz oben die Heimatlandschaft des Volkes (z.B. der Wald bei den Hexen) abgebildet. Nun kann der Spieler die im Kreislauf zu sehenden Spaten abzählen, bis er die Landschaft erreicht, die er umwandeln möchte. So benötigt zum Beispiel eine Landschaft, die sich im Kreis direkt neben dem Wald befindet, nur einen Spaten. Doch ein Spaten ist nur ein Gradmesser für den Aufwand, der benötigt wird, um die Landschaft umzuwandeln. Tatsächlich werden jedoch Arbeiter (oder auch Priester) benötigt. Zu Beginn bedeutet bei den meisten Völkern 1 Spaten = 3 einzusetzende Arbeiter. Im Laufe des Spiels kann man den Faktor positiv verändern auf z.B. 1 Spaten = 2 Arbeiter usw.
Denn Arbeiter sind natürlich, wie eigentlich alle Dinge in Terra Mystica, schwer zu erhalten und stellen somit einen gewissen Mangel dar.
Jedes verbaute Wohnhaus erzeugt bei Rundenbeginn genau einen Arbeiter (was sehr schön auf dem Tableau festgehalten wird).
Doch hierzu muss ein Wohnhaus erst einmal gebaut werden. Häuser können nur in der eigenen Landschaft und nur in Nachbarschaft zu einem schon gebauten eigenen Haus, verbaut werden. Insofern muss die Landschaft oftmals vor dem Bau umgewandelt werden. Hierzu gibt man die entsprechende Anzahl an Arbeiter in den Vorrat zurück (bei 2 Spaten also 6 Arbeiter) und legt einen passenden Landschaftsmarker an die entsprechende Stelle. Erst dann kann ein Haus (vorausgesetzt man kann die Kosten hierfür noch zahlen) dort verbaut werden.
Häuser können zu Handelshäusern weiter entwickelt werden. Diese bringen zwar keinen Arbeiter mehr. Dafür jedoch Gold (das ebenso rar ist) und Macht. Handelhäuser können entweder zu einem Tempel und danach zu einem Heiligtum oder direkt zu einer Festung ausgebaut werden. Alle Häuser bringen dem Spieler Vorteile, Siegpunkte, Priester u.ä.
Mit den Priestern können die Spielsteine auf den vier Kultskalen weiterbewegt werden. Diese sind für die Abschlusswertung wichtig, da es hier nochmals einiges an Punkten gibt. Auch können auf der Skala weitere Machtpunkte errungen werden.
Hat ein Spieler eine bestimmte Anzahl von aneinandergrenzenden Häusern auf dem Spielplan platzieren können, werden diese zu einer Stadt erklärt. Hierzu wählt der Spieler aus mehreren Stadtmarkern eines aus und platziert dieses unter eines seiner Häuser. Jeder Marker gibt dem Spieler wieder unterschiedliche Siegpunkte und Vorteile.
Häuser müssen direkt aneinander angrenzend (auch durch eine Brücke über den Fluss), oder falls man die Seefahrt ausgebaut hat, auch über ein oder mehrere Seefelder hinweg gebaut werden.
Jede Runde wird ein anderes Wertungsplättchen aktiv, das jedem Spieler für gewisse Tätigkeiten (Hausbau o.ä.) Belohnungen bringt. Außerdem wählt jeder Spieler zu Beginn einer Runde ein Bonusplättchen aus, welches ihm zusätzliches Einkommen oder Vorteile verschafft.
Immer wieder tauchte jetzt das Wort „Macht“ auf. Was ist nun damit wieder gemeint? Wie ich schon schrieb, sind auf dem Tableau drei Schalen abgebildet. Nur die Machtchips, die sich auf der dritten Schale befinden, kann ein Spieler für gewisse Vorteile einsetzen. Dies kann z.B. zusätzliches Geld, Priester, Arbeiter oder auch Spaten sein.
Setzt man Chips hierfür ein, versetzt man die entsprechende Anzahl an Marker von der dritten wieder in die erste Schale. Danach muss man im Laufe des Spiels die Chips nach und nach wieder von der ersten in die zweite und letztlich in die dritte Schale versetzen, bis man wieder Macht einsetzen kann. Zum Glück hat man 12 Chips, so dass man durchaus einige Aktionen hiermit durchführen kann. Trotzdem ist der Mechanismus so genial gelöst, dass man genau überlegen muss, welche Chips man wann einsetzt oder bewegt um möglichst effektiv damit umgehen zu können.
Am Ende des Spiels werden noch weitere Punkte verteilt. Man erhält Siegpunkte für die Platzierungen in der Kultskala; für das größte zusammenhängende Gebiet und auch für noch vorhandene Geldmünzen.
Alles Geschriebene stellt nur die wichtigsten, aber beileibe nicht alle Regeln dar. Es gibt durchaus noch weitere beachtenswerter Dinge, die aber aus Platzgründen hier nicht erwähnt werden können.
[COLOR=“Cyan”]Fazit
Terra Mystica ist ein rundum gelungenes Spiel für Vielspieler. Allerdings können auch Gelegenheitsspieler relativ schnell in die Abläufe eintauchen. Denn Terra Mystica ist nicht so komplex, wie es zu Beginn aussieht. Die Mechanik ist nach einigen Runden verinnerlicht und dürfte kaum jemanden vor allzu große Hürden stellen.
Dabei nimmt das Spiel, aufgrund praktischer Hilfen auf dem Spielbrett und den Völkertableaus, jeden sehr schön an die Hand. Zum Beispiel hat man einen eleganten Weg gefunden, womit jeder Spieler sofort erkennen kann, welches Einkommen er pro Runde hat.
Auch sind alle wesentlichen Dinge auf dem Spielplan oder dem Tableau mittels einfacher Icons überaus verständlich abgebildet.
Aufgrund der Tatsache, dass jedes Volk seine Eigenarten und Vorteile besitzt, bleibt die Motivation auch über einen längeren Zeitraum erhalten. Man möchte einfach alle Völker ausprobieren und die besten Siegstrategien austesten. Dabei wird man schnell feststellen, wie gut die Völker ausbalanciert sind. Es gibt kein Volk, von dem man behaupten könnte, dass es übermächtig wäre. Hier haben sich die Autoren wirklich keine Patzer erlaubt.
Besonders gut gelungen ist die Mechanik der Machtschalen. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, da stets über die optimale Verteilung der Machtchips gegrübelt werden muss. Dies ist ein völlig neues Element, das ich so bisher in keinem Spiel gesehen habe.
Die Interaktion mit den Mitspielern ist nicht übermächtig, aber spürbar vorhanden. Besonders schön ist, dass man auf dem Spielplan immer die Nähe zum Gegner sucht. Warum? Ganz einfach deshalb, weil der Bau eines Handelshauses in direkter Nachbarschaft eines Gegners billiger ist. Aus diesem Grund gibt es bei Terra Mystica auch keine besonderen Regeln für zwei Spieler. Ich war zuerst skeptisch, ob das funktioniert. Aber nach mehreren Zweier-Partien muss ich sagen: JA, es funktioniert tatsächlich! Der Spielspaß bleibt auch in dieser Konstellation voll erhalten. Das Spiel ist zwar dann schneller vorüber (durchaus in 40 Minuten), aber es bleibt immer noch spannend und macht genauso viel Spaß! Bei mehr Spielern kann eine Partie durchaus länger als 90 Minuten dauern, hängt aber letztlich auch von den Denkphasen der Mitspieler ab.
Was gibt es bei Terra Mystica zu bemängeln? Eigentlich nur, dass man vielleicht die Arbeiter etwas kreativer und schöner hätte gestalten können. Während alle Materialien wirklich spitze geworden sind, werden die Arbeiter nur durch kleine Holzwürfel repräsentiert. Immerhin sind sie aber aus Holz und erfüllen ihren eigentlichen Zweck.
Alles weitere…das Material…die Grafiken…die Regeln…die Spielmechanik…gehören definitiv zum Besten des letzten und auch bisherigen Jahres.
Terra Mystica ist für mich DIE Überraschung und mein persönliches TOPSPIEL der letzten Monate!
Es konnte sogar meinen bisherigen Favoriten „Tzolk´in“ in die Schranken weisen.
Insofern: Wer auf Handels-Strategie-Bauspiele mit Fantasyeinschlag und Ressourcenmangel steht (und selbst wenn nur ein Genre davon passt), muss Terra Mystica auf jeden Fall in seiner Sammlung haben. Wenn nicht…selbst schuld!
Von uns gibt es jedenfalls als Belohnung für die vielen schönen Stunden im mystischen Land, den goldenen Würfel der rpg-foren!