5. Tag: Aufbruch nach Goloras
Früh am nächsten Morgen verstauten sie Gepäck und Proviant und verließen kurz nach Sonnenaufgang das Dorf gen Süden. Zuvor bat Andri eine Nachbarin, ein Auge auf das Haus zu halten. Das erste Ziel ihrer Reise sollte die Stadt Goloras sein. Das Wetter war schlecht. Es regnete und kalter Wind fuhr durch ihre Kleidung, während sie über die Reichstraße schritten.
Peragon ritt auf einem zuvor gefundenen, herrenlosen Pferd, während Andri auf dem Kutschbock seines einachsigen Karren Platz genommen hatte. Der Zwerg und der Elf zogen es vor, neben dem Karren herzulaufen. Auf verschiedenen Seiten versteht sich. Am Ende des Tages fand Avaron eine kleine Höhle im Wald neben der Straße, in der die Gruppe die Nacht verbrachte. Es wurden Wachen eingeteilt, doch außer den nadelspitzen Zähnen der Kälte biss nichts die Abenteurer.
6. Tag: Reise nach Goloras
Das Wetter hatte sich am Morgen weiter eingetrübt und es war noch kälter geworden. Einige der kahlen Äste des Waldes waren von einer dicken Eisschicht überzogen. Der Herbst war im Begriff in den Winter überzugehen.
An Ende des Tages kehrten die Vier in ein befestigtes Gasthaus am Wegesrand ein, um dort die Nacht zu verbringen. Das kleine Gehöft, mit dem klangvollen Namen “Zum Hufschmied” bestand aus einem zweistöckigen Haupthaus samt zweier Nebengebäuden, die von einer übermannhohen Steinmauer umgeben wurde. Von den Strapazen der Reise erschöpft, fand jeder von ihnen im Laufe des Abends sein angemietetes Zimmer.
Mit Ausnahme des Waldläufers, der es vorzog, in der Scheune bei Andris Pferd zu nächtigen. Niemand mag sich ausmalen, was passiert wäre, hätte der Waldläufer sich anders entschieden. Denn im Laufe der Nacht machten sich zwei Strauchdiebe daran, in die Scheune einzudringen und konnten nur von Avarons beherztem Eingreifen davon abgehalten werden.
Die beiden hatten zur dunkelsten Stunde der Nacht lautlos die Palisaden überwunden und suchten offenbar Diebesgut jeglicher Art. Avaron, der nur mit dem einen Auge schlief, wurde der beiden sofort gewahr und stellte sich umgehend zum Kampfe. Obgleich seine Aussichten auf Erfolg gegen die zwei Schurken gering erschienen, zögerte er nicht eine Sekunde.
Der Lärm, den die folgende Auseinandersetzung nach sich zog, weckte rasch den Rest der Gruppe. Einige Momente später stürmten bereits ein halbangezogener Peragon hinter Arton die Treppe herunter und auf den Hof hinaus. Dort trafen sie auf zwei weitere dunkle Gestalten, die den Rückzug decken sollten. Andri, der sich am Fenster des ersten Stocks postiert hatte, begann augenblicklich, die Gestalten im Hof mit seiner Handarmbrust zu beharken. Der Paladin und der Zwerg eilten den Schurken entgegen und droschen mit Odinschwinger und Kriegsbeil unbarmherzig auf sie ein.
Trotz aller Gegenwehr konnte der Elf in der Scheune nicht verhindern, dass einer der beiden Strauchdiebe Andris Rappen bestieg und mit diesem auf den Hof hinaus ritt. Auf ein Signal hin eilten die beiden auf dem Hof zum Tor, um es für den Reiter zu öffnen und dann gemeinsam in die Nacht zu fliehen. Ihr Plan wurde von der flinken Klinge des Paladins und den spitzen Bolzen des Händlers vereitelt, die zwei der vier ins Jenseits schickten. Der dritte starb mit der Axt des Zwergen im Rücken. Der vierte flüchtete ungesehen. Die Aufregung weckte auch den Rest der Taverne und bald stellte sich heraus, dass der Knecht des Wirts, der zur Nachtwache abgestellt war, tot neben der Scheune lag. Die Räuber hatten ihn gemeuchelt. Den Rest der Nacht wollte sich die eigentlich erhoffte, wohltuende Ruhe einer Gasthausübernachtung nicht mehr einstellen.
7. Tag: Reise nach Goloras
Den Aufregungen der Nacht zum Trotz brach die Gruppe nach einem kurzen Frühstück früh am nächsten Tag wieder auf, weiter in Richtung Goloras. Es war immer noch sehr kalt, doch regnete es zumindest nicht.
Im Laufe des Tages verdichteten sich die Anzeichen, dass die Gruppe verfolgt wurde. Von wem und warum, war jedoch nicht herauszufinden. Am Nachmittag, die Sonne stand bereits tief am Himmel, geschah es dann!
Unbemerkt hatte sich während einer Rast am Wegesrand eine weibliche Assassinin an die Gruppe herangeschlichen. Gut versteckt im Unterholz zielte sie in aller Seelenruhe, spannte und schoss ihren Pfeil über neunzig Meter direkt in Avarons Hinterkopf. Tödlich getroffen brach der Waldläufer zusammen. Unmittelbar darauf erwiderten Peragon, Andri und Arton das Feuer, auf das die Assassinin gezwungen war, sich ins Unterholz zurückzuziehen.
Während die anderen in aller Eile versuchten, den toten Waldläufer wiederzubeleben, saß dessen immaterielle Gestalt auf einem in der Nähe gelegenen Baumstamm. Neben ihm saß Gevatter TOD und gab ihm Gelegenheit, ein Kartenspiel um sein Leben zu spielen. TOD hatte einen besonders guten Tag bzw. eigentlich war es Avaron, der einen besonders guten Tag hatte. Er gewann das Spiel und kehrte alsbald zurück in die Welt der Lebenden. Doch die Freude über seine mystische Wiederbelebung währte nur kurz unter den Mitgliedern der kleinen Reisegesellschaft. Die Assassinin war nicht alleine gewesen. Knapp achtzig Meter von den Recken entfernt, stürmten auf einmal ein Dutzend in Leder gekleidete Krieger aus dem Wald auf sie zu. Gegen diese Übermacht gab es kein Bestehen. Schnell wurden die Pferde angetrieben, der Zwerg sprang auf Andris Karren auf und Arvaron stieg zu Peragon aufs Pferd und man räumte das Feld.
Nach kurzer Zeit erreichten sie ein Flussufer. Der Fluss floss hier träge und tief in seinem breiten Bett. Die Verfolger waren dicht auf. Mit Hilfe des eifrigen Fährmannes setzten sie rasch aufs andere Ufer über. Ihre Verfolger schossen währenddessen Salve um Salve zu ihnen hinüber. Doch glücklicherweise trafen die wenigsten Pfeile ihr Ziel. Am anderen Ufer entlohnte Andri den guten Fährmann fürstlich dafür, den Rest des Tages nicht mehr aufs andere Ufer zu wechseln.
Im Anschluss reisten sie weiter und erreichten am Abend des gleichen Tages ein befestigtes Händlerlager im Wald. Umgeben von Palisaden aus unbehauenen Baumstämmen standen etwa dreißig Wagen und Karren zusammen. Dazwischen waren Zelte und behelfsmäßige Hütten aufgeschlagen. Überall wurde verhandelt, über kleinen Kochfeuern gegessen und Neuigkeiten ausgetauscht. Dort verkauften sie den Wagen des Händlers und erwarben für den Erlös dringend benötigtes Hab und Gut. Als einzig festest Gebäude stand in der Mitte des Lagers ein Blockhaus. „Zum Knüppelfeller“ stand auf einem Schild über dem Eingang.
Hier fanden sie endlich Zeit, über die Geschehnisse des Tages zu sprechen. Ihre in schwarze Lederrüstungen gekleideten Verfolger und die Assassinin waren allem Anschein nach Ruthen. Da Baldrick Neunfinger ebenfalls diesem Menschenschlag angehörte, lag es nahe, zu vermuten, das Baldrick ihnen auf der Fährte war. Nicht unbedingt beruhigt, verbrachten die Vier die Nacht in der Taverne.
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- Tag: Reise nach Goloras[/B]
Am nächsten Tage, das Wetter hatte sich in der Nacht noch weiter verschlechtert, zogen sie ungeachtet der eisigen Temperaturen, des Regens und Sturms weiter nach Goloras. Von ihren Verfolgern fehlte jede Spur. So wanderten sie den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch mit eiserner Disziplin bis zur Erschöpfung. Sie wollten den Vorsprung vor ihren Verfolgern soweit ausbauen wie möglich.
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- Tag: Reise nach Goloras[/B]
Der Morgen des nächsten Tages machte den Plan, Goloras so schnell als möglich zu erreichen, zunichte. Denn kurz vor Sonnenaufgang, die Aufmerksamkeit der Recken war niedrig und ihre Müdigkeit hoch, schoss plötzlich und unvermittelt eine Werratte aus dem Gebüsch links des Weges. In wildem Blutdurst stürzte sie sich auf Arton und verletzte den Zwerg binnen Sekunden so schwer, dass nur ein Heiltrank Hilfe versprach. Gleichzeitig gingen Andris und Peragons Pferde durch und konnten nur mit Mühe gehalten werden. Trotz vereinter Gegenwehr der Gruppe, konnte sich die Werratte in den Wald retten.
Kurzentschlossen, der Bestie ein für alle Mal den Garaus zu machen, stürmten die Vier dem Untier hinterher. Atemlos hetzten sie die verwundete Kreatur im glühenden Schein der Morgendämmerung durch den kahlen Wald, bis sie eine Höhle erreichten. Vorsichtig, mit den Waffen im Anschlag, traten sie ins Dämmerlicht der Höhle. Auf dem Boden vor ihnen lag nicht, wie erwartet, die schwer verletzte Bestie, sondern ein junges, bildhübsches Mädchen, das aufgrund zahlreicher Wunden mit dem Tode rang. Die Werratte hatte sich zurückverwandelt. Kurzentschlossen flößte der Paladin der jungen Frau einen Heiltrank ein und rettete ihr Leben. Nach einer Weile kam sie wieder zu Bewusstsein und nachdem Peragon ihr versichert hatte, dass ihr von den Recken kein Unheil drohte, erzählte sie ihre Geschichte.
Ihr Name war Reena und sie lebte in einem kleinen Dorf, ein wenig abseits des großen Handelswegs. Das Dorf stand unter der Knute eines Fürsten, der sich wohl vor einigen Jahren mit dem Virus der Lykanthropie infiziert hatte. Sein Name war Landfürst Gabal von Wolfenhein. Seit seiner Infizierung hatte der Fürst sich vollends gewandelt. Seine Bediensteten waren bis auf einige wenige geflohen und seine Burg verfiel zusehends.
Immer wieder überfielen er und seine Schergen die wehrlosen Bewohner der umliegenden Dörfer, verschleppten manche von ihnen und töteten andere. Reena selbst hatte sich vor einem Monat infiziert, als sie im Wald nach Kräutern suchte und auf eine der Bestien gestoßen war. Nur mit letzter Kraft hatte sie entkommen können. Doch hatte die Werratte sie auf ihrer Flucht mir den Krallen verletzt. Nun hatte sie sich in der gestrigen Nacht zum ersten Mal verwandelt.
Von ihrer Geschichte tief berührt, versprach der Paladin Hilfe im Kampf gegen den Werwolf und seine Sippe. Zuerst einmal, um die Frau von der Entdeckung durch die anderen Dorfbewohner zu bewahren, brachte Peragon sie auf dem Rücken von Andris Rappen unbemerkt zurück ins Dorf. Die anderen ruhten sich derweil ein wenig aus. Nach seiner Rückkehr überzeugte er seine skeptischen Begleiter, das Richtige getan zu haben. Seufzend fügten die anderen sich schließlich und man beratschlagte, wie man dem Fürsten den Gar aus machen konnte. Da Paladine, ebenso wie Zwerge, meist den direkten Weg zu einem Ziel bevorzugen, kamen sie überein, zur verfallenen Burg des Fürsten zu reiten, um ihn dort zu stellen.
Ihr Weg führte sie durch Reenas Dorf. Hier war in der Zwischenzeit Leben eingekehrt, denn die Rückkehr der jungen Frau war nicht unbemerkt geblieben. Als die Recken auf den zentralen Platz der Siedlung ritten, sahen sie einen Scheiterhaufen, den die Dorfbewohner binnen kürzester Zeit errichtet haben mussten. Reena stand an einem Pfahl gefesselt darauf und flehte die Dorfbewohner an, ihn nicht zu entzünden. Offenbar wollten die Männer und Frauen des Dorfes das Böse ausmerzen und schreckten nicht davor zurück, dafür ihre eigenen Verwandten zu verbrennen. Selbst ihr Vater, der Dorfvorsteher wollte seine Tochter brennen sehen und schleuderte just in dem Augenblick eine Fackel in das Reisig, als die Recken der Szene ansichtig wurden. Augenblicklich loderten helle Flammen zwischen den Holzscheiten. Rauch stieg in dichten Schwaden auf und die panischen Schreie der jungen Frau halten über den Platz.
Ungestüm bahnte sich Peragon auf seinem Pferd einen Weg durch die Menge und sprach mit ruhiger Stimme einen Zauberspruch, der das Feuer augenblicklich zum Verlöschen brachte. Wie es einem Paladin gebührte, rettete Peragon Reena ein zweites Mal. Im Anschluss sprach er mit der Bestimmtheit eines Mannes, der wusste wie er ein Schwert zu führen hatte zu den Bewohnern des Dorfes und schärfte ihnen ein, Reena bis zu seiner Rückkehr vom Fürsten kein Haar zu krümmen. Nach einem kurzen Gespräch mit der jungen Frau machten sich der Paladin, samt Händler, Zwergenkrieger und Waldläufer zur Mittagszeit auf zur verfallenen Burg.
Für etwas mehr als eine Stunde folgten sie den Resten einer Straße, bis die Überreste der Burg inmitten des Waldes vor ihnen aufragten. Die Mauern waren an vielen Stellen von Pflanzen überwuchert oder eingestürzt. Drei der vier Flügel waren offenbar bereits vor langer Zeit in sich zusammengefallen und Kletterpflanzen und Ranken sprossen zwischen den Steinen. Nur der vierte Flügel stand noch. Eine fast unheimliche Stille lag in der kalten Luft des Nachmittags. In einiger Entfernung banden sie die beiden Pferde an und ließen den immer noch verletzten Arton zurück.
Dann betraten sie den unheiligen Ort. Fast unmittelbar erschien in den dunklen Höhlen der Hauseingänge eine Gruppe verfaulter Zombies, die geradewegs auf die drei Abenteurer zuhielt. Offenbar ehemalige Bedienstete des Fürsten, die in Ungnade gefallen waren. Der Fürst selbst ließ sich nicht blicken. Ihre Waffen fest in den Händen, prallten die Recken gegen die Untoten und setzten ihrem widernatürlichen Dasein ein rasches Ende. Als sie sicher waren, alle niedergemacht zu haben, begannen sie, die Burg genauer in Augenschein zu nehmen. Viel war nicht mehr erhalten, doch in den Kellergewölben stießen sie auf eine Halle, in der zahlreiche Fackeln brannten. Auf Lagern aus alter Kleidung, Teppichen und Unrat hausten hier offenbar die Schergen des Fürsten. Einer von ihnen war anwesend und schlief, eingehüllt in eine lumpige Decke, auf einem der Lager.
Darüber hinaus war auch Gabal von Wolfenhein selbst anwesend. Er saß auf einem hölzernen Thron inmitten des Lagers, als die Gefährten den Saal betraten. Worte hatten in dieser Situation schon längst keine Bedeutung mehr, deshalb ließen Andri, Peragon und Arton ihren Stahl sprechen. Fürst Gabal verwandelte sich umgehend in einen Werwolf und warf sich mit all seiner unheiligen Energie gegen die Helden. Auch sein Getreuer, eine Werratte, sprang vom Lager auf und stieß immer wieder gegen die Recken vor, die tapfer Widerstand leisteten. Der Kampf wogte hin und her und bei jedem Treffer gegen die Helden bangte einer von ihnen, ob er nun von der Lykanthropie infiziert sei.
Nach langem und hartem Gefecht lagen der Fürst und sein Bediensteter am Boden. Wieder hatten die Drei einen hohen Blutzoll gezahlt und nur Whor, dem Gott des Glücks, war es zu verdanken, dass alle das Ende des Tages erlebten. Der Fürst war nicht mehr und sein Knecht war schwer verletzt. Der Fluch, den der Fürst durch seinen Biss auf ihn übertragen hatte, war jedoch gelöst. Peragon half dem Mann auf und verarztete ihn.
Bei einsetzender Abenddämmerung verließen sie Kellergewölbe und Burg und sammelten die Pferde samt wartendem Zwerg wieder ein. Im Dorf erwartete Reena sie bereits. Freudestrahlend warf sie sich dem Paladin um den Hals, denn der Bann war auch von ihr abgefallen. Trotz des freudigen Ereignisses war das Verhältnis zwischen ihr und den Dorfbewohnern aufgrund der Geschehnisse unwiederbringlich vergiftet und sie äußerte den Wunsch, das Dorf mit den Recken zu verlassen. Gerne stimmte die Gruppe zu und nachdem sie ihr karges Hab und Gut in einem Rucksack verstaut hatte, verließen sie zu fünft das Dorf.
Es war bereits tiefste Nacht, als die kleine Gruppe in der Nähe der Ruine eines kleinen Hauses am Wegesrand Rast machte. Reena, die die gesamte Zeit recht still gewesen war, erinnerte sich daran, wie sie unter dem Bann des Fürsten am gestrigen Abend hier gewesen war. In den Kellerräumen gab es ein geheimes Versteck, in das die verdammten Kreaturen ihre erbeuteten Schätze gelegt hatten, bevor sie sich wieder zurückverwandelten. Nach kurzer Suche förderte man eine stattliche Anzahl an Silbermünzen und Schmuckstücken zu Tage. Mit dem Vorsatz, einen Großteil davon zu spenden, steckten sie die Wertsachen ein und betteten sich in der Ruine zur Ruhe.