[SIZE=“3”]Viel hatte Joy nicht gegen Jeff und Tom ausrichten können. Eigentlich gar nichts. Nachdem Jeff seine Rede geschwungen und Tom angewiesen hatte, die Schottin zu ihrem Zielort zu geleiten, hatte sich Joy für einige Stunden in die hiesigen Stallungen verzogen und sich in das aufgetürmte Heu gelegt. Dort ist sie vermutlich eingeschlafen, denn als sie die Augen öffnete dämmerte es bereits wieder. Langsam hob sie den Kopf an und verspürte sofort wieder den Unmut in sich aufkochen und die starken Kopfschmerzen, welche ihre Konzentration beträchtlich minderten.
Als sich die Schottin aufgesetzt hatte strich sie langsam mit der Rechten über ihr Gesicht und durch die Haare. In dem Stall roch es nach frischem Heu und Pferd. Um sie herum standen einige davon, doch keine besonders schönen Tiere. Hier wurden nicht etwa Adelsgüter beherbergt, nein hier kamen die einfachen Leute und stellten das Feldvieh unter. Muffig roch es. Als sich Joy erhoben hatte, streckte sie einmal ihre Glieder und ließ ihre Gedanken laufen. Beim Versuch, sich an irgendwelche kleinen Details zu erinnern, meldete sich zornig ihr Kopf und hämmerte gegen ihre Schädeldecke. Einen Fluch ausstoßend hielt sie sich die Schläfen und presste die Augen zusammen. Nachdem der Schmerz etwas nachließ öffnete sie die Augen wieder und prüfte ihre Sehkraft.
Bis auf die dröhnenden Kopfschmerzen, welche ihr den Blick weiterhin etwas vernebelten, war alles beim alten. Vermutlich hatte ihr Körper genau richtig gehandelt und sie wider ihrer eigenen Art einschlafen lassen. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie Jeff etliche Flüche an den Hals gewünscht und Tom, ihren Begleiter, ein Veilchen über das gesamte linke Auge verpasst hatte. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. Immerhin konnte sie ihren Standpunkt festigen. Dennoch war das Angebot von Jeff lukrativ und sie hatte, bevor sie eingeschlafen war, eingewilligt. Sie wollten sich bei Sonnenuntergang vor den Stadttoren im Norden treffen. Warum nicht? Sie war schon lange nicht mehr zu Hause gewesen… England.
Sie grinste böse, während sie an die bitteren Erinnerungen der Vergangenheit dachte. Was wohl William sagen würde, wenn er noch erfahren könnte, dass sie zu allem Anfang zurückkehrte? Während sie die Gedanken wieder abschüttelte, um sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren zu können, nahm sie ihr Sattelzeug und schritt, die Trense über der Schulter, den Sattel über dem Arm, hinüber zu einer kleinen Nische. Da das dort verharrende Pferd die ganze Zeit über ruhig und reglos dastand, konnte man es leicht übersehen, auch wenn das Tier an und für sich überhaupt nicht zu übersehen war. Wider dieser Lande, stand dort ein Mustang. Er war kräftig und ein bisschen größer als seine Ahnen, doch unverkennbar ein Mustang. Als Joy sich ihm näherte, hob das Tier den Kopf und schnaubte friedlich. Sie lächelte.
In Erwartung, gleich den Sattel auf dem Rücken zu spüren, stand er weiterhin unbeweglich da. Er wusste, dass nun wieder mal eine lange, lange Reise folgen würde und dass diese Reise bedeutsam war. Zwischen Joy und dem hübschen Mustang war in all den Jahren des Beisammenseins eine stumme Vertrautheit gewachsen, die auf bedingungslosem Vertrauen beruhte und doch eine gewisse Distanz zu ließ. Keiner von beiden Vertraute leichthin. Nein, sie waren sich ähnlich und so unterschiedlich wie kein zweites Paar und kamen doch miteinander aus.
Nachdem Joy das junge Tier gesattelt und aufgezäumt hatte, führte sie es aus der Nische und in die untergehende Sonne. Als das Licht den Mustang beleuchtete, konnte man die seltsame Zeichnung erkennen: Er hatte eine schwarze Mähne, schwarzen Schweif, kräftige Flanken, ebenfalls schwarz, und einige braune Flecken auf dem Körper. Zudem war sein Kopf ganz in braun und die dunklen Augen schienen kommunizieren zu können. Die Fellfarbe spiegelte seinen Freigeist wieder. Den selben Freigeist wie Joy’s.
Nicht lange Zeit später, saß Joy auf dem schönen Tier und trieb jenen an, sich in Windeseile den Toren im Norden zu nähern. Ihr ging es besser, doch sie war gereizt. Nichts weiter als eine Umhängetasche dabei, wie immer, ließ sie ihrem Mustang die lange Leine und jener ließ brav und gehorsam schon bald die Tore im Norden hinter sich. Unweit dieser besagten Stadtgrenze hielt Joy den Rappen an und klopfte ihm sachte auf den Hals. Dann wartete sie… Und sie würde mit Sicherheit nicht lange warten.[/SIZE]