Ich bin kürzlich als Spieler zweimal in einer Situation gewesen, in der ich dem Meister aushelfen musste die Story am Leben zu erhalten, während sich ein Großteil der anderen Spieler darum bemühte zu erklären warum ihre Charaktere nicht auf die Story eingehen die ihnen grade präsentiert wird.
Es ist natürlich in einigen Settings wo man ich sag mal “normale Leute” spielt und keine expliziten Helden, formal-logisch richtig das so eine Person bei ungewöhnlichen Vorkommnissen die Polizei rufen würde und dann zuhause abwarten würde was sich ergibt. Das würde ich als normaler Mensch im hier-und-jetzt auch machen, nur…
-das wäre als Spiel, Buch oder Film halt sehr langweilig
-ist das ja nicht der Grund warum ich mich mit anderen an einen Tisch setze und RPGs spiele.
Sondern: Man möchte eine spannende Geschichte erleben, so wie einer der Protagonisten in einem spannenden Film oder Buch. D.h. aber eben auch, das man einer Sache auch selbst nachgehen muss.
Wir hatten in dem Spiel ein paar Möglichkeiten schon abgetastet und sind dann zum Wohnhaus der verschwundenen (und möglicherweise gefährlichen) Person gekommen, die wir suchten. Soweit so gut, wir hätten ja auch sagen können: Das ist Sache der Polizei. Damit wäre das “Abenteuer” schnell zuende.
Auf einer Meta-Ebene war mit klar, das dieses Haus ein Schauplatz war, denn der Meister hatte ein Bild davon und beschrieb es ausführlich. Natürlich weiß mein Charakter das nicht. Aber: Ich persönlich finde Rollenspiel ist ein Spiel bei dem man gemeinsam eine Geschichte erzählt, der Meister lediglich der Spieler mit den meisten Möglichkeiten ist und er spielt den Spieler die Bälle zu, diese spielen sie dann mehr oder weniger geschickt zurück… Er ist aber nicht der Alleinunterhalter vor einer Gruppe vor Personen die nur passiv auf das reagieren was serviert wird oder sich überlegen warum sie untätig sind. Es macht ja nichts, wenn ein Spieler einen einen Ball nicht zurückspielt, solange er selber einen Ball (eine eigene Idee) in Richtung Meister spielt. Auch so bleibt die Geschichte im Fluss.
Wenn ich also grade keine eigene Idee habe die ich unbedingt umsetzen möchte, dann überlege ich warum mein Charakter auf das Spiel des Meister eingeht. Ich suche also Gründe warum er in das Haus geht und ich suche nicht explizit nach Gründen es zu lassen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Bei Call of Cthulhu heißen Charaktere “Investigatoren”. Sie heißen bestimmt nicht so, weil sie ihre Abende gerne ruhige auf der Couch verbringen während draußen mysteriöse Dinge passieren -um die sich NSCs kümmern sollen.
Und ich denke das gilt auch für alle anderen Rollenspiele: Wer seinen Charakter so spielt, das er sich mit Macht aus allem raushalten will, der hat etwas grundsätzlich falsch verstanden. Es wird bei sowas gerne argumentiert, der Charakter sei so angelegt und würde lediglich Charaktergerecht gespielt, als sei dies ein unausweichliches Schicksal dem man folgen müsse. Nur verfängt das leider nicht: Der Spieler legt seinen Charakter ja selbst an (oder interpretiert einen Archetypen) und wenn er das macht, muss er sich fragen warum er einen Charakter zu einem Abenteuer mitbringt, der keine Motivation hat daran teilzunehmen.
Zurück zum Haus: Die anderen wollten schon umdehen und mir war auf der Meta-Ebene schon klar, das der Meister weitere Köder auslegen würde, bis wir entweder ins Haus gehen oder an einer anderen Stelle aktiv werden. Mit anderen Worten wir hätten lediglich ein paar weitere langweilige Ehrenrunden gedreht bis irgendwem die Ausreden ausgegangen wären um auf irgendwas nicht einzugehen, statt gleich ins Haus zu gehen und endlich in das Abenteuer einzusteigen.
Also habe ich gesagt, das es ja sein könne das die Person oder jemand anders verletzt im Haus liegt. Man erreichte ja niemanden im Haus und ich würde auf jeden Fall reingehen. Die anderen sind dann doch noch mit reingegangen. Man sollte vielleicht als Spieler auch nicht so egozentrisch sein, zu erwarten das der Meister einem den einzigartigen, speziellen, genau auf meinen Charakter gemünzten Anreiz geben kann und wird, der einen ins Abenteuer führt.
Mir tut in solchen Situationen auch oft der Meister leid, der sich bemüht das Abenteuer in Gang zu bringen, gegenüber Leuten die sich bemühen nicht drauf einzugehen. Oder, bei Shadowrun (manchmal auch bei DnD) erlebt: Charaktere, die an NSC-Auftraggeber unrealistisch hohe Forderungen stellen, in der dahinterstehenden Spieler-Hoffnung der Meister geht irgendwann drauf ein weil er ja sein Abenteuer spielen will (in das er vorab schon viel Zeit investiert hat). Es gibt dann Meister die gehen drauf ein und wenn sie anschließend merken das Balancing stimmt nicht mehr, dann wird anschließend das Gegebene wieder durch Umstände genommen, zerstört oder was auch immer, was auch mal als “Rache” aufgenommen wird.
Ich habe schon überlegt in den Runden in denen ich als Meister/Spieler bin einfach mal vorab ein Gespräch über Philosophie und Meta-Ebenen des Rollenspiels anzuzetteln um einfach mal abzutasten ob sich da sonst noch wer mit befasst hat, sich daraus Gewinn für die Spielweise ziehen lässt, oder ob es da mitunter so fundamental unterschiedliche Ansichten gibt, das ein gewisses Frustlevel im Spiel unvermeidlich bleibt.
Was sind denn eure Ansichten dazu?