Die Glasbücher der Traumfresser

Es wird wieder Zeit, Euch an meinem Lesevergnügen teilhaben zu lassen. Gerade sind es:

[SIZE=3]Die Glasbücher der Traumfresser[/SIZE]
von Gordon Dahlquist.

Drei Monate waren seit ihrer Ankunft im Hafen vergangen, da brachte ihr das Dienstmädchen auf einem Silbertablett Rogers Brief, verfasst auf steifem Ministeriumspapier und mit Vor- und Zuname unterschrieben. An diesem Morgen war es sieben Tage her, seitdem Miss Temple, deren pochierte Eier in ihrer Silberschüssel dampften, Roger Bascombe zuletzt gesehen hatte.
[…]
Am achten Tag dann erhielt sie beim Frühstück den Brief, mit dem Roger zu seinem großen Bedauern ihr Verlöbnis löste und der mit dem höflich zum Ausdruck gebrachten Wunsch schloss, sie möge ihm doch bitte bis an ihr Lebensende aus dem Weg gehen. Irgendeine Erklärung dafür enthielt das Schreiben nicht.
Eine solche Abfuhr hatte ihr noch niemand erteilt.
Mit diesen Sätzen beginnt Dahlquists Erstlingswerk.
Miss Temple fühlt sich nun natürlich genötigt, herauszufinden, warum Roger sie verlässt. Denn schließlich erfordert es unterschiedliche Reaktionen ihrerseits, wenn er eine Neue hat, Karriere machen will oder aus anderen Gründen allein durchs Leben gehen will. Also kauft sie sich einen Mantel, einen Notizbuch und einen Allwetterstift – und macht sich auf, ihren Ex zu beobachten. Dabei gerät sie schließlich auf einem Maskenball (der etwas an Eyes Wide Shut erinnert) in sehr eigentümliche Gesellschaft und schließlich in Gefahr, da sie offenbar dabei ist, den Schleier einer Verschwörung zu lüften, in der ihr Ex eine noch unbekannte Rolle spielt.

Ort der Handlung ist eine fiktive Stadt, die unzweifelhaft Anleihen vom viktorialen London hat. In dieser erzählt der Roman, verfasst in in auktorialer Perspektive, neben den Erlebnissen Miss Temples auch noch die Erlebnisse den Profikillers Kardinal Chang und des mecklenburgischen Militärarztes Dr. Svenson. Alle drei werden aus unterschiedlichen Gründen in die Verschwörung um die Glasbücher gezogen, wobei ihre Handlungsstränge sich teilweise überschneiden – mit dem interessanten Effekt hat, dass sich immer wieder neue Perspektiven eröffnen. Auch offenbart der Erzähler selten mehr, als auch für die Protagonisten ersichtlich ist – der Wissensvorsprung des Leser ergibt sich nur dadurch, dass der Leser das geschehen aus gleich drei Augen betrachten kann. So bleibt lange im Dunkeln, um was sich die offensichtliche Verschwörung dreht, was ihre Ziele sind und auch, wer Täter, wer Mitläufer und wer Opfer ist – und wer schlicht ein Unbeteiligter ist…
Das muss man mögen – in meinem Augen bezieht der Roman aus diesem Trick eine große Spannung. Zum Lesevergnügen trägt des weiteren die liebevolle Ausgestaltung der drei Protagonisten bei, die alle unterschiedliche Motivationen, Stärken, aber auch Schwächen mit sich bringen – sei es Miss Temples Naivität, die unerwarteten moralischen Episoden des Killers, …

Insgesamt ist Dahlquist, der bisher sein Geld als Autor und Regisseur von Theaterstücken verdiente, hier in meinen Augen ein Roman gelungen, der, wie schon Susanna Clarkes „Jonathan Strange und Mister Norell“ ausgetretene Fantasy-Pfade verlässt und eine schlüssige Welt erschafft, in der ich mich gerne aufhalte.

Sehr gelungen ist in meinen Augen auch die Gestaltung des Buches – während das Original ein typisches Paperback ist, hat man sich in Deutschland dazu entschlossen, das Buch aufwändiger zu gestalten – jedes Kapitel ist ein einzelnes dünnes Heftchen (eine Art Groschenroman), alle zusammen stecken in einem Kartonschuber. Auch das Papier ist (wie eigentlich meist) hochwertiger als das des Originals – leider bewirkt das, dass alles zusammen etwas großformatig geraten ist (und sich der Preis im Bereich eines Hardcovers bewegt). Aber wie gesagt, mich fasziniert diese Gestaltung (die auch irgendwie zum Titel passt) – sie war auch Grund für mich, das Buch mal in die Hand zu nehmen.

In meinen Augen bisher (ich bin in Kapitel 3 von 10) volle 6 Punkte!

:super:super:super:super:super:super

Zum Abschluss noch der typische Verweis auf die Meinungen anderer Leute und zur Seite des Verlags (aufgrund der Leseprobe) – und dann wünsche ich viel Spaß!

Die Zeit
Spiegel
Blanvalet (Random House)