[JUSTIFY][COLOR=rgb(170, 255, 170)]Death in Space (DarkSciFi-W20-System) - Eine Geschichte der Leere - Teil 1 “Die Zusammenkunft”
Decay hatte in Yukimura einen unerwarteten Begleiter gefunden, da dieser sein Leben in den Dienst der Monolithen gestellt hat. Jenen Monolithen, denen auch ihre Suche galt. Was sie am meisten erstaunt hatte, war die Tatsache, dass Yukimura ihren Wunsch nach Privatsphäre anstandslos akzeptierte – nicht, dass er nie Fragen stellte, aber wenn sie die Antwort verweigerte, nahm er dies ohne Anstoß hin. In jedem Fall, beschloss sie, entgegen ihrer bisherigen Gewohnheiten, ihren Weg vorerst mit ihm gemeinsam zu gehen. Seine offene und entgegenkommende Art war ein nützlicher Gegenpart zu ihrem stolzen Auftreten, das sich selten dazu eignete, andere zur Kooperation zu bewegen. Dennoch hatte er eine gewisse Verbissenheit an sich, die sie mit Respekt betrachtete – dieser Suchende ließ sich nicht einfach unterkriegen. Außerdem hatte er eine Knarre. Sowas war immer praktisch. Vor allem, wenn man es, wie Decay, gewohnt war, in Schießereien zu geraten.
Philip war gerade in der Nähe eines Docks unterwegs, als er eine eher lautstarke Diskussion wahrnahm. Aus einer Gewohnheit als ehemaliger Stationswart heraus, ging er nachsehen. Dort sah er eine schmale aber energetische Frau mit einem grummeligen Mann reden, wobei hauptsächlich sie redete, und zwar recht laut, und er selten mehr als einsilbig antwortete. Es ging scheinbar um den Zustand eines Raumschiffes, das an dem Dock lag und die Frau wollte den Mann davon überzeugen, das Schiff zu erwerben.
„Verdammt, ich habe das Ding von vorne bis hinten überprüft, es ist voll Einsatzbereit. Diese Fehlfunktion ist auf der Dockseite, garantiert.“
„Das kann jeder sagen. Wenn das Schott in Dock nicht aufgeht, welche Garantie habe ich, dass es unterwegs dicht hält?“ Das war der längste Satz des Mannes bisher. Er wirkte sehr verärgert, gleichzeitig aber auch unruhig und blickte immer wieder in Richtung des Bodens neben der Frau.
Neugierig ging Philip näher und wollte selbst sehen, was denn so beunruhigendes dort war, da entdeckte er eine mechanische Spinne, die ihre kalten Kameraaugen auf den potentiellen Käufer gerichtet hatte. Als dieser KI-Wächter den Neuankömmling bemerkte und ein paar der Linsen sich auf ihn richteten,wandten auch die zwei Menschen ihren Blick auf ihn.
„Hey, Natalia Huxtable mein Name,“ begann die Frau sofort, „wollen sie dieses voll einsatzfähige Schiff vielleicht kaufen?“
„Ha!“, unterbrach der Mann gleich, „so einsatzfähig, dass nicht einmal die Tür aufgeht.“
Bevor die Situation wieder eskalieren konnte, antwortete Philip schnell: „Nein, tut mir leid. Ich kann aber vielleicht anderweitig hilfreich sein. Was ist denn das Problem?“
Der Mann wollte wieder spöttisch dazwischen fahren, aber Natalia war schneller: „Das Dockschott erhält nicht genug Energie und verweigert daher die Freigabe. Der werte Herr hier“, und dabei deutete sie mit einem Daumen auf den Kaufinteressenten, der, mit einem neuerlichen Blick zur Spinne, nur verächtlich grummelte, „meint, es liege daran, dass die Luftschleuse des Schiffes defekt sei. Sie haben nicht zufällig eine Batterie dabei? Meine eigene ist offensichtlich nicht ausreichend für eine Kompensation, ich brauche eine zweite.“ Ihr hoffnungsvoller Blick musterte dabei seine Arbeitsmontur.
Philip stockte. Es waren genau solche Momente, die ihn immer wieder in ein Dilemma stießen. Ja, in der Tat, er hatte eine Batterie und könnte so einen positiven neuen Erstkontakt herstellen. Allerdings handelte es sich dabei um seinen internen Energiespeicher und die Nutzung würde seine Natur als Nichtmensch sofort offenbaren. Schließlich aber, siegte seine ehrliche Natur wieder einmal und er sagte: „Ja, in der Tat. Ich habe eine Batterie dabei.“ Dann trat er vor, schob seinen linken Ärmel hoch, was beide Menschen im ersten Moment irritierte, und zog das Verbindungskabel unter der Haut hervor.
Das Geräusch, welches der Mann von sich gab, als er bemerkte, was gerade geschah, war eines, dass Philip zu fürchten gelernt hatte. Ein unbestimmtes Brummen, eine häufige Reaktion, obwohl seine Art keine Seltenheit darstellte. Kaum stand die Verbindung, hatte das Schott auch tatsächlich genug Energie, bestätigte die Funktionstüchtigkeit der Luftschleuse des Schiffes, und öffnete sich.
„Das ist ja ein praktischer Zufall.“ Der Mann hatte offensichtlich immer noch etwas, um sich zu Beschweren. „Da kommt einfach ein Chromkind vorbei und öffnet die Tür. Wer sagt mir, ob das tatsächlich irgendwas mit den Schiff zu tun hat?“
„Was!?“ Natalia war merklich empört. „Da ist endlich die Tür offen, damit sie sich selbst von meiner Arbeit überzeugen können und sie meckern immer noch?“
„Kaufen sie das Ding doch selbst, wenn sie es so toll finden, dann kann das Chromkind auch gleich seine neue Freundin behalten.“
Auch diese Art Beleidigung war Philip bereits gewohnt. Er reagierte nicht darauf, warf aber einen Seitenblick auf Natalia. Erstaunt stellte er fest, dass diese nachdenklich und ein wenig traurig aussah. Es schien so, als wäre ihr dieser Gedanke nicht fremd. Sie hatte auch auf seine Aktion mit dem Kabel in keiner Weise reagiert, also sagte er, einem Impuls folgend: „Sollten ihnen die Mittel dafür fehlen, ich könnte ihnen auch dafür mit meinen Ressourcen zur Hand gehen.“
„Ha! Na sag ich doch!“, rief der Mann erheitert. Dann aber schlug seine Miene in Verwirrung um. „Moment, was? Soll das ein Scherz sein? Ich bin hier der Kunde! Sie wollen nur den Preis hochtreiben!“
Decay und Yukimura hatten dem Treiben ebenfalls beigewohnt. Es war auch kaum zu überhören gewesen und sie waren nicht die einzigen Zuschauer. Unterhaltung war in den meisten Gegenden des Ringes schwer zu finden, ein kleines Wortgefecht unter Fremden hatte da immer Potential. Decay wusste, dass ihre Chancen, einen der großen Monolithen zu finden, deutlich anstiegen, hätte sie ein eigenes Schiff zur Verfügung. Der Biodroid wirkte hilfsbereit und leicht beeinflussbar und die Frau war offensichtlich von dem Schiff angetan und kannte es auch schon.
Sie stieß Yukimura an und raunte ihm, mit ihrer von der Maske verzerrten Stimme, zu: „Wie das Schicksal manchmal so spielt. Da fühlt sich der Gauner plötzlich selbst betrogen.“ Sie wusste, wie sie ihren Begleiter zu Entscheidungen bringen konnte, die für sie nützlich waren. Sie durfte es in jedem Fall nie zu offen ansprechen, denn er mochte es nicht, gesteuert zu werden, daher funktionierte es nicht immer.
In diesem Fall schien ihre Rechnung aber aufzugehen. „In der Tat. Die Wege der Monolithen zeigen sich den Aufmerksamen.“ Decay grinste hinter ihrer Maske in sich hinein, aber das Triumphgefühl erstarb schnell wieder, als Yukimura ihr mit einer Armbewegung den Vortritt lies. „Geh voran, sehende Schwester.“ Er hatte sie ertappt, aber offensichtlich keine Einwände gegen diese Idee.
Sie schubste seinen Arm beiseite, nicht stark, aber genug um ihren Unmut kund zu tun, und ging auf die streitende Gruppe zu. „Wir steigen mit ein“, unterbrach sie den Disput.
„Was!?“ Der Käufer lief mittlerweile schon rot an.
Natalias Gesicht hellte sich allerdings gleich auf. „Sie sind an dem Erwerb des Kommisars interessiert? Sehr gut, wir wollten eben einen Rundgang starten.“
„Ich bitte um Verzeihung für das Missverständnis“, schaltete sich jetzt auch Yukimura ein, „was meine Begleitung meinte, ist dass wir uns bei ihrer gemeinsamen Finanzierung beteiligen möchten.“
„Oh.“ Natalia zögerte.
„Ha! Kalte Füße! War mir doch gleich klar, dass mit dem Kahn was nicht stimmt.“
„Schnauze!“ Jetzt reichte es Natalia wohl auch endlich. „Ich lass mir von einem schmierigen Feilscher wie ihnen doch nicht meine Arbeit schlechtreden!“ Noch bevor der angesprochene reagieren konnte, wandte sie sich wieder an Yukimura und Decay und schloss auch Philip mit einem Seitenblick mit ein. „Welche Summen können sie denn jeweils beisteuern?“
Damit hatte der streitlustige Mann nicht gerechnet und blickte ungläubig zwischen den anderen hin und her, was allen die Möglichkeit zur Beantwortung der Frage gab. Mit diesen Informationen rechnete Natalia kurz im Kopf durch und lies dann die Schultern hängen. „Das reicht leider nicht. Dafür gibt ihn der Käufer sicher nicht her.“
Diese Nachricht rief gehässiges Gelächter bei dem Mann hervor. „Oh, ihr armen Schlucker, na da will ich mal nicht so sein. Ich lege noch 5% drauf, dann nehm ich das gute Stück.“
Gerade wollte Natalia wieder auffahren, als sich eine weitere Stimme meldete. „machen sie 20% daraus, das wäre dann mein Anteil.“ Alle drehten sich zu dem Sprecher um und blickten auf einen alten, müde wirkenden Mann, dessen Augen aber einen harten Glanz hatten. Hinter ihm stand ein Service-Arbeiter mit einer großen Kiste auf einem Rollwagen. „Oder reicht das immer noch nicht?“
Alles schwie einen Moment lang, dann nickte Natalia knapp. „Doch. Das reicht.“ Dann drehte sie sich lächelnd zu dem ausgebooteten Interessenten um. „Ich bedanke mich für ihr Angebot. Leider haben sie den Zuschlag diesmal nicht erhalten. Ich wünsche ihnen viel Erfolg beim nächsten Mal.“
Das wollte dieser jedoch nicht auf sich sitzen lassen. „Das ist doch wohl die Höhe! Eine unfähige Pfuscherin, ein Chromkind, eine Phallus-Schlampe …“
Weiter kam er nicht, denn Decay baute sich vor ihm auf und zischte ihn bedrohlich an. „Sag das nochmal und dein Phallus braucht einen neuen Besitzer.“ Ihre elektronisch verzerrte Stimme verstärkte ihre Drohung nochmal, aber da lag auch schon eine Hand auf ihrer Schulter.
„Meine Liebe, wir wollen doch keinen unnötigen Streit anzetteln.“ Dann wandte Yukimura sich an den Herrn, der eben erschrocken einen Schritt zurück gemacht hatte. „Ich bin mir sicher, mit ihren Zweifeln an dem Schiff wären sie in jedem Fall nicht glücklich gewesen, nicht wahr? Wir haben sie also vor kommendem Frust bewahrt.“
Noch bevor der eingeschüchterte Mann antworten konnte, schob sich der alte Mann durch die Gruppe, der Arbeiter mit dem Wagen direkt hinter ihm, wodurch der Mann noch weiter zurückweichen musste. Im Plauderton sagte er: „Es wurde schon wegen geringerem Krieg geführt. Lassen sie’s gut sein und versuchen sie ihr Glück woanders.“ Dann lies ein warmes Lächeln sein Gesicht erstrahlen als er sich an Natalia wandte. „Rangi Anthonsen, angenehm. Sie sprachen von einer Führung? Ich bin gespannt auf ihre Arbeit. Bitte, gehen sie voran, junge Frau.“
Das lies sich Natalia nicht noch einmal sagen, streckte dem anderen die Zunge heraus und schritt durch das Schott. Rangi folgte ihr vergnügt, und hinter ihm stets der Arbeiter mit Wagen. Decay hatte sich nicht von der Stelle gerührt und starrte den Kerl immer noch wütend an. Von ihrem Gesicht war nichts zu sehen, aber die ausdruckslosen Züge der androgynen Maske machten das nur noch unheimlicher. Schließlich gab Yukimura ihr mit einem leichten Druck an der Schulter zu verstehen, dass es nun gut sei, also setzte sie sich auch langsam in Bewegung, wandte den Blick aber erst im letzten Moment von ihrem Opfer ab.
Philip, der seit dem Eintreffen von Decay und Yukimura nur noch schweigender Teilnehmer gewesen war, zog sein Kabel aus der Schottbuchse und sah sich verunsichert um. Immer noch stand einiges an Publikum in der Nähe und wartete, ob nicht doch noch etwas aufregendes passieren würde. Der verdutzte Mann fing sich nun wieder, bemerkte, dass Philip noch da stand und funkelte diesen nun wütend und verächtlich an. „Chromkind“, grummelte er, spuckte auf den Boden und stampfte davon. Philip senkte den Blick, schloss auch Natalias Batterie ab und folgte dann den anderen ins Schiff.
Als sich das Schott hinter ihm schloss, hatten sich bereits alle Zuschauer wieder abgewandt – keine große Show heute, aber dennoch unterhaltsam.[/JUSTIFY]