Freie Charaktererschaffung

Moin leev Lück

Was ist die freie Charaktererschaffung?

  • Bei der freien Charaktererschaffung baut man sich einen Charakter ohne auf die Regelmechanik des Buches zu achten. Es braucht lediglich ein paar Rahmenbedingungen. (s.u.)

Warum eine freie Charaktererschaffung?

  • Viele Regelwerke bieten am Ende der Charaktererschaffung unlogische Spielfiguren in einer logisch aufgebauten Spielwelt an.

Nun erläutere ich meine beiden Punkte genauer:

  1. Warum?
    In den allermeisten Rollenspielen (DSA 3, 4.1 / AD&D, D&D, Pathfinder, bzw. alle d20 Systeme / 7te See / Legend of the Five Rings / Dark Heresy, Freihändler, Deathwatch etc / Degenesis / Vampire - die Maskerade, alle anderen WoD Werke / Shadowrun / Cthulhu / Scion / Deadlands / How to be a Hero / Fate…) ist man am Ende der Charaktererschaffung ein Niemand, der nix kann. Die Werte sind stellenweise so bescheiden, dass Würfelproben eher scheitern, als gelingen. In Kaufsystemen werden bei eingeschränkten Erschaffungspunkten gerne nur die Werte gepusht, die “spielrelevant” sind, anstatt auch mal schöne Fluff-Skills zu wählen, die aber logisch zur Figur passen würden. Wer steigert denn Tanzen in DSA 4.1 zu D-Kosten oder kauft Ikebana in L5R? Ich würde es machen, weil es zu Figur passt, aber nicht, wenn es eingeschränkte Punkteverteilung gibt.
    Ich möchte am Ende eine Spielfigur erschaffen, die logisch in ihrer Spielwelt funktioniert, die Ecken und Kanten hat, die Stärken und hervorhebende Eigenschaften hat. Ein Samurai, der keine Punkte in Wissen: Bushido Kodex hat, ist für mich unlogisch.

So kam ich irgendwann zu folgendem Schluss:

[Anmerkung: Ich durchschaue ein Rollenspielsystem sehr schnell. Ich verstehe schnell, was sind starke Werte, was sind schwache Werte. Wenn beispielsweise Fähigkeiten von 1-10 gehen, dann kann man sagen 1-2 bedeutet, dass man mal davon gehört hat oder irgendwann in seinem Leben benutzt hat oder eben unglaublich selten dieses Wissen abfragt. 3-5 würde für mich bedeuten, dass es zum Alltäglichen gehört. 6-7 bedeutet, dass man es uzm einen Alltäglich macht und einfach gut darin ist. Der Arbeitsschwerpunkt sozusagen. 8-9 sind die Experten auf ihrem Gebiet und ein Genie liegt dann bei 10. Mit diesem Wissen kann man dann entspannt die Freie Erschaffung angehen]

  1. Wie funktioniert diese freie Charaktererschaffung?
    Nachdem man das System verstanden hat, was als schwach, durchschnittlich und stark gilt und man sich als Spielgruppe auf einen gemeinsamen Rahmen geeinigt hat, also ein gewisses Powerniveau, kann man beginnen all die Werte einzutragen, von der man glaubt, dass sie zum ausgedachten Konzept am besten passen. Man wählt also Attributswerte, Fähigkeiten, Vorteile und Schwächen, Ausrüstung etc aus, um am Ende eine schöne logische Figur zu erstellen, die in die Spielwelt passt und den vorher festgesetzten Rahmenbedingungen entspricht.

Bei diesen Rahmenbedingungen knüpft man nicht an eine konkrete Zahl an, aber wenn man herausfindet, dass (ich erfinde jetzt Zahlen) 3000 EP grob einem erweiterten Startcharakter entspricht, 3000-8000 soliden, vielfältigen und ggf. in fokussierten Bereichen schon Experten hervorbringt und alles epische fast übermenschliche ab 9000+ anfängt, kann man sich daran grob aufhängen.

Die Spielbalance wird nur dann gestört, wenn die Balance zwischen Vor und Nachteilen überhand nimmt oder man im Bereich Ausrüstung high-end Kram auswählt. Es geht mir und auch den meisten Spieler:innen mit denen ich spiele, nicht darum eine Superhero-ich-kann-alles-Doomlord-Figur zu erstellen. Alle wollen grundsätzlich ihr ausgedachtes Konzept zum Leben erwecken.

Wenn man die freie Charaktererschaffung wählt fühlt man sich auch viel freier. Man “muss” sich nicht mit Nachteilen zumüllen, nur um dann noch die 2 Punkte für diesen einen Vorteil auszuwählen oder unnötige Fähigkeiten aufschreiben, nur weil man die Punkte noch übrig hat etc.
Daher empfehle ich euch allen es einmal auszuprobieren und ihr werdet feststellen, dass es gar nichts schlimmes ist und das Spiel trotzdem noch funktioniert. Zudem sollte man entweder als Spielgruppe oder mit der SL gemeinsam über das Blatt drüber schauen, ob auch wirklich eine schöne, spielbare und logische Spielfigur entstanden ist. Meine Spieler:innen haben häufig zu schwache Charaktere gebaut, weil sie in ihrer freundlichen Zurückhaltung sich nicht getraut haben, diesen und jenen Punkt aufzuschreiben.

Anmerkung: Neulinge sind mit der Methode in den meisten Fällen überfordert, wenn sie es alleine machen müssen. Denn es fehlt ihnen am Stark/Schwach-Regelverständnis.

Wer dazu Fragen hat gerne schreiben, ich kann auch gerne mal via Discord über meine Erfahrungen damit quatschen :slight_smile:

LG Basti

Oder man spielt einfach ein System, das von Grund auf stärker narrativ orientiert ist und gar keinen Wert auf zahllose Zahlen, Simulation und taktischen Kampf legt ^^

Gerade mit dem neuesten Update ist Blades in the Dark ein prima Beispiel. Eine der spielphilosophischen Säulen besteht in der Grundannahme, dass die Charaktere kompetent sind. Die Grundmechanik des Action Rolls kann mit einem der neuen Module zum sogenannten Threat Roll abgeändert werden. Während der Action Roll bereits nichtbinäre Ergebnisse liefert (Fehlschlag mit Konsequenzen, Erfolg mit Konseqzenzen, Erfolg ohne Konsequenzen), sieht es beim Threat Roll noch einmal anders aus; wir gehen davon aus, dass ein Charakter mit seiner Aktion Erfolg hat, außer die Umstände sind besonders verzweifelt/erschwerend. Das Ergebnis des Wurfes entscheidet also nicht über Erfolg oder Misserfolg, sondern darüber, wie stark sich die Konsequenzen der jeweiligen Handlung manifestieren.

Dies trifft auch auf Handlungen zu, bei denen die SC null Punkte in dem dazugehörigen Wert besitzen. Und soetwas wie Wissen/softe Skills (Instrumente, Tanz, andere Kunst, etc.) wird gar nicht erst numerisch abgebildet. Wir gehen davon aus, dass die Charaktere aufgrund ihrer Profession, ihres Hintergrundes und ihrer Herkunft das notwendige Wissen besitzen.

Natürlich begrüße ich den Ansatz der freien Charaktererschaffung, den ich so sicher auch nutzen würde, wenn ich mich noch mit entsprechenden Spielen beschäftigen würde. Ich fand es nur angemessen, klar zu stellen, dass es Spiele gibt, die so eines ‘Hacks’ gar nicht erst bedürfen ^^

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Ein grund warum ich Moirenico angefangen habe zu schreiben^^

Das Problem ist ja, dass Regelwerke immer mit einer Spielwelt verknüpft sind und es gar nicht wenig Arbeit ist, das in irgendeiner Art umzuschreiben. Ich habe beispielsweise in mehreren Hundert Stunden das Roll&Keep Regelwerk von Legend of the Five Rings genommen um daraus ein spielbares Dark Heresy zu machen.

Klar kann man dann einfach Blades in the Dark spielen (ich kenne es nicht), aber kann man “einfach” daraus DSA machen? Denn man spielt die meisten Rollenspiele vor allem wegen der Hintergrundwelt, in die man eintauchen möchte und als zweites wegen des Regelwerks. ^^

Als SL bin ich mit dem 'Hinweis: ‘Mach was Du willst, aber hab kein schlechtes Gewissen’ bis jetzt recht gut gefahren. Grob hält man sich an das, was das System so vorschlägt, vor allem um mal einen gemeinsamen Nenner zu haben. Im Falle eines Falles weicht man halt ab. Oft reichen für den Effekt ‘logischer SC’ kleine Anpassungen aus. Bei einem Koloss wie DSA 4.1 macht es schon viel aus bei der Charaktererschaffung 10 GP mehr zu geben, um die SCs runder zu machen. In meiner letzten Runde hatte man sich sogar auf 130 insgesamt geneigt. In anderen Systemen startet man nicht auf Stufe 1 sondern etwas höher und ähnliches. Oder es gibt ein paar Punkte mehr, um zu individualisieren sowie anzupassen, hatte ich zuletzt bei bei L5R.

Also ich bin durchaus dafür bei der SC Erstellung mehr Handzuwedeln oder keine Ausrüstung einkaufen zu müssen oder im Zweifel für den Fluff, finde aber, dass mir die verschiedenen Systeme da durchaus meist genügend Werkzeuge anbieten, um da etwas für mich für genau diese Runde oder sogar für genau diese SCs anzupassen.

@Bumbrazz Falls Dich Aventurien interessiert gibt es auch zwei größere Hausregelsysteme wie Ilaris oder Harteschale. Ersteres z.B. hat eine komplett freie Charaktererstellung.

Also als Experiment für fortgeschrittene und sehr regelerfahrende Gruppe durchaus möglich.
Bei Pathfinder E1 gibt es zwar Nachteile aber die nimmt man nur selten weil die sehr stark oft sind.

Ich finds okay, wenn Figuren eben nicht viel können. Bei Pathfinder E1 kann man durchaus höhere Werte erreichen wenn man eine Klassenfähigkeit nimmt und das entsprechende Attribut hoch hat.

Die freie Charaktererstellung wie du sie vorschlägst, kann natürlich zu niveauvoll starken Figuren führen und ist auf einer immersiven Grundstruktur aufgebaut. So lange sich alle gut kennen und alle gemeinsam ein faires Power-Niveau auch einhalten, ist das denke ich auch machbar.