Seltsame und grausige Dinge geschehen in Deutschland und wirbeln das Leben von Vesper Gold gehörig durcheinander. Da ist der Termin bei der Direktorin der Schule für Vesper noch das geringste Problem. Zuerst wird ihr Vater – ein berühmter Filmemacher – in Berlin umgebracht. Dann kommt ihre Mutter ebenfalls unter mysteriösen Umständen um und irgendwer verfolgt Vesper. So flüchtet sie quer durch Hamburg – doch was wollen der Mann in der Militärjacke mit dem unscharf wirkenden Tier auf der Schulter und der Menschenwolf von ihr? Da fallen plötzlich alle Kinder in einen tiefen Schlaf und alle Erwachsenen träumen das Gleiche. Nur ein Albtraum, eine Warnung oder gar eine Drohung? Gestalten aus den Sagen werden real und Vesper stellt fest, dass es viel mehr gibt, als dass, was sie bisher ahnen konnte.
Vorab eine Sache: Dieses Buch ist „ein echter Marzi“. Vom Schreibstil her sind keine Überraschungen zu erwarten. Gewohnt flechtet er Musikstücke in die Szenen ein und entlehnt Einzelheiten aus den Romanen seiner literarischen Vorbilder. Der Text ist gut und flüssig zu lesen. Einmal in die Hand genommen möchte man also erst aufhören, wenn das Buch zu ende ist.
Die Kapitel sind sinnvoll gesetzt worden und haben klangvolle, passende Titel. Abschnitte gibt es innerhalb der Kapitel relativ wenig. Das Buch kommt als gebundene Ausgabe daher, der Schutzumschlag ist sehr schön und passend gestaltet. Das Einzige, dass bei diesem Buch fehlt, ist ein kleines Lesebändchen.
Marzi hat mit „Grimm“ ein atmosphärisch dichtes Werk abgeliefert. Leider wirken „Showdown“ und Ende zu schnell abgehandelt. Ähnlich wie oft bei Markus Heitz, wird der Leser hier einen langen Weg hergeführt um am Ende etwas ratlos mit dem Gedanken „War das schon Alles?“ da zu stehen. Die Figuren bieten viel Potential, werden manchmal aber etwas zu oberflächlich dargestellt. Über viele Nebenschauplätze wird hinweggegangen, Details bleiben im Dunkeln.
Dennoch hat Christoph Marzi hier ein sehr gutes Buch geschrieben. Die Ideen sind gewohnt phantasievoll und streckenweise originell. Die Märchenfiguren sind zwar im Wesentlichen den Märchen der Gebrüder Grimm entlehnt, der Autor zeigt sie jedoch in einem anderen Licht. Eine phantasievolle Verbindung von klassischen Märchen mit unserem heutigen Leben. Wenn man also den Stil des Autors mag, gilt auf jeden Fall: Daumen hoch.
Christoph Marzi wurde am 7. Mai 1970 geboren. Er lebt heute zusammen mit seiner Familie in Saabrücken und lehrt Wirtschaftslehre an einem Gymnasium. 2005 erhielt er den Deutschen Phantastik-Preis in der Kategorie „Roman-Debüt Deutschsprachig“ für den Roman Lycidas. 2007 wurde er in der Kategorie „Roman Deutschsprachig“ für Lumen nominiert, 2009 erhielt der diesen Preis dann für die Kurzgeschichtensammlung „Nimmermehr“, natürlich in der Kategorie „Beste Kurzgeschichtensammlung“. Inzwischen hat er die „Uralte Metropole“-Reihe beendet, sowie die Trilogien „Malfuria“ und „Fabula“.
Vielen Dank an den Heyne-Verlag, der uns diese Rezension ermöglicht hat.