Also ich glaube ja eher, dass es in der näheren Zukunft und eigentlich auch schon in der Gegenwart einfach ein viel spezielleres Bedürfnis ist, das durch P&P abgedeckt wird. Von der Zeit als D&D erfunden wurde bis hin zu der Zeit, als sich ein Spiel wie DSA bei Schmidt-Spiele und bei Karstadt verkaufte, gab es halt weniger verschiedene Angebote. Und D&D oder DSA war für viele Bedürfnisse das einzige, was es gab: Menschen, die eigentlich gar kann kein großes Interesse an sozialem Kontakt hatten, aber gern in eine Fantasywelt flüchten wollten, konnten nicht einfach The Witcher 3 kaufen und den Winter allen vor ihrem Rechner zubringen. Ebenso Leute, die eigentlich nur besonders durchgeregelte taktische Kämpfe spielen wollten. Es gab ja auch kein Fire Emblem. Wer früher einfach seine Charakterwerte hochleveln und seine Ausrüstungslisten verbessern wollte spielte da auch noch nicht WOW oder Diablo. Heute gibt es für viele Bedürfnisse, die früher P&P Spiele miterfüllt haben, spezialisiertere, ja vielleicht sogar bessere Alternativen. Für viele, aber nicht für alle.
Was am Pen & Paper einzigartig geblieben ist, ist nur eine Teilmenge dessen, wofür es früher einzigartig war. Immer noch kann kein Computerspiel die wirkliche Freiheit ersetzen, dass ein Charakter im P&P wirklich sagen kann, was er will, und auch tun kann, was er will. Naja, zumindest es versuchen; es kommt dann ja noch auf die Würfel an. Aber es wird (zumindest, wenn die spielleitende Person nicht total unfähig ist) niemals die Situation geben, dass ich etwas nicht versuchen kann, weil dafür keine Regel besteht.
Und das andere ist, eng verbunden mit der Freiheit, das Soziale, vielleicht sogar das Psychologische. Natürlich haben WOW und auch Brettspiele immer eine soziale Komponente, aber bei P&P ist die weitaus tiefer und mehr ins Spiel integriert. Dadurch, dass eine Gruppe von Charakteren zusammentrifft, bei der jede Unterhaltung, die sie am Spieltisch führen, eben Teil des Spiels sein kann, zumindest wenn es eine ingame-unterhaltung ist, ist das Soziale, was sich zwischen den Charakteren entwickelt um einiges komplexer als ein WOW Chat, aber eben auch um einiges komplexer als bei einem Boardgame, bei dem man zwar ggf. miteinander verhandeln kann oder auch mal seine Moves spielen, als sei man wirklich der Usurpator, der in das Nachbarland einfällt, aber hier sind Spielmechanik und das Spielen einer Rolle am Spieltisch getrennt. P&P ist das einzige Spielerlebnis, bei dem das Spielen einer Rolle direkt mit den Regeln und dem gesamten Settings des Abends verknüpft und integriert ist. Deshalb würde ich behaupten, P&P Spiele sind nach wie vor die einzigen, die genuin das Bedürfnis nach Rollenspiel erfüllen.
Für diese zwei Aspekte, Freiheit und Rollenspiel, wird auch in der näheren Zukunft niemand um P&P herumkommen. Deshalb glaube ich, dass sich unsere kleine Nische erhalten wird, weil das zwei sehr schöne und sehr wichtige Bedürfnisse sind.