Spieler A: “Wenn sich keiner der Gegner mehr rührt, durchwühle ich mal ihre Taschen.”
Spieler B: “Mein Charakter hält dich davon ab und sagt: >Leichenschändung ist das. Sie haben tapfer gekämpft, also erweise ihnen gefälligst Respekt.”
Spieler A: “Ich schlage deine Hand weg und halte dir mein Messer unter die Nase. > Rühr’ mich noch einmal ungefragt an, und du kannst dich neben sie legen.”
Den Rest könnt ihr euch wahrscheinlich denken.
Leider sind solche oder ähnliche Szenen nicht selten in Rollenspielrunden, denn jeder hat seine ganz eigenen Vorstellungen davon, wie der eigene Charakter tickt. Da ist Konflikt vorprogrammiert, aber das bedeutet nicht, dass das auch ein Problem für die Spielrunde darstellen muss. Wichtig ist hier, wie in allen sozialen Belangen, die Kommunikation. Klar, man will nicht gleich allen am Tisch die verborgenen Tiefen des eigenen Charakters offen legen, wo wäre da der Reiz, aber es ist immer eine Frage des “wie”. Hilfreich ist hier oft eine sogenannte “Session 0”, die es den Spielern ermöglicht, ihre Charaktere einander vorzustellen und gemeinsam zu sehen, wie dieser zusammengewürfelte Haufen an Individualisten (bzw. Egoisten, Egozentrikern, Sonderlingen, Opportunisten … sucht euch was aus ) am besten zusammen hält. Unter den Charakteren darf es gerne Spannungen geben, sogar bis hin zur gerade noch so zurückgehaltenen Blutfehde, aber nur, wenn die Spieler alle damit einverstanden sind. Schließlich spielt man ja zusammen, nicht gegeneinander.
Eines der schlimmsten Beispiele, die mir diesbezüglich je zu Ohren gekommen sind, ist eine Geschichte aus dem Shadowrun-Universum:
Der Run ist durch, die Bezahlung mehr als zufriedenstellend. Das Geld in unnummerierten Scheinen in einem klassischen Aktenkoffer, steht unter dem Tisch, an dem das Team um die Aufteilung feilscht. Der Magier argumentiert, dass seine Foki und Reagenzien viel kosten und er deshalb ein wenig mehr benötigt, um seine Effektivität für das Team weiter zu steigern. Der Rigger meint, dass bei dem Run größtenteils sein Material beschädigt wurde und deshalb ihm die größere Kompensation zusteht. Der Teamleader bringt sein Gewicht ebenfalls ein und erklärt, das ganze verhalte sich wie bei Piraten, ihm steht der größte Batzen zu. Der Decker lacht nur trocken und stellt klar, dass ohne ihm der Run gar nicht möglich gewesen wäre. Der Sammie sitzt still da und hört abwartend zu.
Das ganze zieht sich dahin, und mittlerweile ist sogar am Spieltisch schon mehr als eine Stunde verstrichen, ohne, dass sich eine Einigung abzeichnet. Der Sammie-Spieler wendet sich an den SL.
Sammie: “Was für ein Koffer ist das eigentlich genau? Der mit dem Geld?”
SL: “Ein Aktenkoffer halt. Handelsüblich, nix besonderes.”
Sammie: “Also von außen besehen so, wie meiner mit der chemischen Versiegelung?”
SL: “Ja.”
Sammie: “Gut, ich mache folgendes. Ich stehe auf und nehme den Geldkoffer.”
Hier würde man erwarten, dass die anderen Spieler mit ihren Charakteren reagieren. Diese allerdings sind so eingenommen von ihrem Disput, dass sie den Inhalt der Unterhaltung in normaler Lautstärke nicht wahrnehmen.
Sammie weiter: “Mit dem Geldkoffer gehe ich in den Nebenraum mit unserem Zeug. Dort nehme ich meinen Koffer, in dem sich noch die 5 Kilo C4 befinden und tausche die Inhalte aus. Das C4 versehe ich mit einem Funkzünder. Dann packe ich mein restliches Zeug zusammen und stelle es neben die Tür. Mit dem Geldkoffer, in dem sich jetzt das C4 befindet, gehe ich zurück zu den anderen und stelle diesen an seinen alten Platz. Dann verlasse ich den Raum wieder, schließe die Tür, schnappe mein Zeug und gehe.”
Nach wie vor, hat der Rest der Gruppe nicht reagiert, obwohl sich der Sammie-Spieler nicht bemüht, leise zu sprechen. Der SL hat sich derweil Notizen gemacht und etwas im Regelbuch nachgeschlagen.
Sammie: “Draußen winke ich mir ein Taxi herbei, steige ein und drücke dem Fahrer einen Hunderter in die Hand. >Flughafen<, sage ich ihm nur, >noch so einen gibt’s, wenn du die Tour leer gemacht hast.< Sobald wir ein paar Blocks gefahren sind, aktiviere ich den Zünder.”
SL: “Passt.” An die restlichen Spieler gewandt: “Ihr seid tot, Leute.”
Zuerst reagiert niemand, denn sie diskutieren immer noch, aber einer der Spieler blinzelt dann doch irriteirt und fragt: “Was?”
SL: “Ihr seid tot. In die Luft gesprengt. Kablammo.”
Es erübrigt sich, weiter auf das was dann folgte einzugehen. Die Spielrunde gab es danach nicht mehr und keiner konnte die anderen noch leiden … ok, der Sammie und der SL vielleicht.
Egal. Moral von der Geschichte: Lasst eure In-Game-Konflikte nicht an euch ran. Wenn euch was an der Art, wie sich die Charaktere untereinander verhalten stört, sprecht es spätestens vor der nächsten Runde an und findet einen Konsens. Im Idealfall steht der SL auch als Mediator zur Verfügung und/oder kann über die Hintergründe der Charaktere Lösungen anbieten.
Vergesst nie: Es ist immer noch ein Spiel. Das sollte ALLEN Spaß machen.
cul8r, Screw