Rollenspiel mit Kindern

Für das Rollenspiel mit Kindern habe ich mir, unter Anregung einiger Beispiele im Internet, unter Berücksichtigung meiner pädagogischen Kenntnisse und mit der bereits gesammelten Erfahrungen beim Rollenspiel mit Kindern, ein paar Gedanken gemacht. Hier habe ich das D&D5-System genommen, weil das meinem aktuellen Projekt entsprungen und gerade zur Hand ist. Die grundsätzlichen Überlegungen können aber sicher auch auf andere Systeme übertragen werden. Außerdem gibt es auch Systeme, die von Haus aus schon für Kinder ausgelegt sind. Das Thema wurde bereits hier diskutiert, was natürlich gerne weitergeführt werden darf. Ich lade euch sogar ein, mir in dem Thema Rückmeldungen zu diesem Blog zu geben.

Treffer statt Trefferpunkte & Schaden

Je nach Trefferwürfel, halten die Charaktere eine Anzahl an Treffern pro Stufe, und Gegner pro angegebenem Trefferwürfel aus. Sind sie am Limit, würfeln sie gegen ihre Konstitution (der Rohwert darf mit einem W20 nicht überwürfelt werden), ob sie genug haben oder noch weiter machen können. Falls der Wurf misslingt, sind sie KO, geben auf oder kauern sich schützend auf dem Boden zusammen, Gegner flüchten eventuell auch einfach.

Trefferwürfel… Treffer pro SC-Stufe… pro NSC-Trefferwürfel
W4… 2… 1
W6… 3… 2
W8… 4… 3
W10… 5… 4
W12… 6… 5

Im Falle von temporären Trefferpunkten, nenne ich es „Schutz“ und gehe nach dem Beispiel für NSC vor. Sind feste tTP angegeben, muss man halt etwas kreativ werden – einfach wäre 1 Treffer pro Instanz (zB. Zauberstufe, pro 5 tTP usw.).

Wieviele Treffer ausgeteilt werden, wird nur anhand der Anzahl an geworfenen Würfeln berechnet (ausgenommen Waffen, die von Haus aus 2W6 haben, das behandle ich wie 1W12). Bei kritischen Treffern wird die Anzahl verdoppelt. Schadensboni werden der Einfachkeit zuliebe ignoriert, magische Waffen +X und ähnliche Dinge werden kreativ gelöst (zB. der Kampfrausch bei Barbaren, der dann einen zusätzlichen Treffer verursacht, der aber nicht durch einen Krit mitverdoppelt wird). Ja, zugegeben, ein Zweihänder macht bei einem Volltreffer mehr kaputt als ein Dolch. Aber wenn wir schon beim Realismus sind: wie schwer ist es, einen Zweihänder zu schwingen im Vergleich zu einem Messer? Und gerade in D&D5 gibt es keine Angriffs-Boni oder -Mali je nach Waffe, also pfeif drauf.

Dieses System ist einfacher und auf diesem Weg kann „Blutvergießen und Tod“ bei Bedarf vermieden werden.

Erzählen statt Taktieren

Als SL behalte ich die Aktionen, Bonusaktionen und Reaktionen der Figuren grob im Auge, aber nagle die Kinder nicht darauf fest. Wenn es cool ist und sich grob ausgehen könnte, dann passt das schon. Initiative handhabe ich ganz einfach: Kinder an die Macht. Solange die Gruppe nicht überrascht wurde, kommt sie immer vor den Gegnern dran. Haben sie umgekehrt die Gegner überrascht, dürfen sie sogar zweimal.

Auch die Beschreibungen von Fähigkeiten, Manövern oder Zaubern sollten nicht wie Textbeispiele aus Mathe oder wie Gesetzesparagraphen klingen, also vereinfache ich diese deutlich. Es reicht, wenn die Quintessenz der Aktion klar ist. Statt Anwendungen pro langer oder kurzer Rast, versuche ich, die Anzahl von Benutzungen auf pro Tag umzurechnen, wie es in den älteren D&D-Versionen der Fall war, oder sie je nach vergangener Zeit zurück zu geben.

Kampfkarten (aka Battlemaps) sind zwar schön und gut, aber manchmal hemmen sie den Spielfluss, weil zu viel überlegt wird. Kopfkino hat Vorrang. Außerdem versuche ich, die gewünschten Aktionen der Kinder nicht mit der Umgebung einzuschränken, sondern zu bereichern. Da ist ein Hindernis für den Ansturm? In die Beschreibung einbauen, wie die Figur darüberhechtet oder eine Probe werfen lassen, ob es sich nicht doch ausgeht. Für Reichweiten werde ich eher mit Begriffen wie „nah“, „kurz“, „mittel“, „weit“ und „sehr weit“ arbeiten, da das einiges an Rechnerei erspart.

Angst und Frust

Die Spielleitung sollte darauf achten, welche Ängste die Kinder selbst haben, damit diese im Spiel gemieden oder umsichtig behandelt werden können (hilft den betroffenen Kindern eventuell, sich in einem geschützten und sicheren Umfeld damit auseinanderzusetzen). Ich stelle mir nur allein vor, wie manche Kinder auf einen Weberknecht reagieren … und dann kommt eine Phasenspinne aus dem Nichts.

Es kann passieren, dass manche Kinder frustriert sind, wenn ihre Pläne oder ihre Ideen nicht funktionieren – sei es aufgrund eines schlechten Würfelwurfes (oder mehrerer) oder weil sie als SL diesen Lösungsweg nicht vorgesehen haben. Im Idealfall kommen die Kinder mit dem Frust selbst klar oder helfen einander in der Gruppe aus. Ich empfehle, die Gesamtstimmung im Auge zu behalten und die Würfel auch mal liegen zu lassen, wenn die Idee bzw. der Plan originell, unterhaltsam, kreativ oder schlicht witzig ist. Der Spaß geht vor.

Erziehung als Chance, nicht als Pflicht

Ja, die Kinder sollen sich mit der „Realität“ der Spielwelt auseinandersetzen und sich auch über die Folgen ihres Handelns bewusst sein, aber nicht alles muss gleich eine moralische Lektion beinhalten. Ich versuche, vor und nach der Runde mit den Kindern klarzustellen, dass es sich um eine erfundene Geschichte handelt, die primär allen Spaß machen soll. Haben sie darin etwas richtig heftiges abgezogen und sind (durch Glück oder Einfallsreichtum) damit durchgekommen, schildere ich mögliche Folgen für andere – immer noch mit dem Hinweis, dass es trotz allem nur eine Geschichte ist.

Beispielsweise, wenn sie in einem unbeobachteten Moment was mitnehmen. Was passiert mit der Person, der das gehört hat? Bekommt jemand anderer die Schuld? War das etwas wichtiges? Ich will dann mit den Kindern reflektieren, was die Folgen sind und sie selbst Ideen dazu formulieren lassen. Zum Abschluss ziehe ich ein Resümee über die Tragweite mit entsprechender Ernsthaftigkeit und schließe mit den Worten „aber es ist ja nur eine Geschichte“. Ich glaube, damit nehme ich den moralischen Druck von den Kindern, gebe ihnen aber die Möglichkeit, sich selbst dazu Gedanken zu machen und ihr Handeln im Spiel zu überdenken.

Ich sehe Rollenspiel als Chance, sich von den Zwängen der Realität zu befreien, alternative Wege zu probieren und so das eigene Empfinden diesen gegenüber zu testen. Außerdem gibt es ja noch die anderen Mitglieder in der Gruppe, die sowohl als Figur als auch als Person darauf reagieren können. Wichtig finde ich auch, den Kindern von Beginn an die Differenzierung zwischen ihnen als Person und der Spielfigur klarzumachen.

Ich bastle gerade an einer Kampagne für die drei Kinder einer meiner Spielerin. Diese sind im Altersbereich 6-11 und mache immer wieder Anläufe in meiner Schule mit der gleichen Altersgruppe. Die daraus resultierenden Erfahrungen möchte ich gerne hier teilen, und hoffe, dass auch ihr davon was haben werdet. Wie anfangs schon erwähnt, freue ich mich über Rückmeldungen, Kritik und Meinungen zu diesem Thema.

4 „Gefällt mir“

Die erste Runde (eigentlich zwei, denn die Kids wollten am nächsten Tag nach dem Frühstück gleich weitermachen) ist durch und ich ziehe ein erstes Resümee …

Gewohnheit ist dein Feind
Ich habe fast alles genauso gehandhabt, wie bei den Erwachsenen-Runden, weil mein Gehirn einfach auf Automatik geschalten hat. Es ist also bewusstes Umdenken notwendig.
Die Initiative habe ich so geregelt wie in Erwachsenen-Runden, was die Situation zu statisch gemacht und den Kindern Handlungsspielraum genommen hat - das muss ich ändern.

Powergaming
Zumindest eines der Kinder ist derzeit total darauf fixiert, maximale Wirkung zu erzielen und will mit seinem Zauberer jetzt lernen, mit dem Großhammer umzugehen (weil größter Schaden), schwere Rüstungen zu tragen und bei jeder Gelegenheit Geld zu machen (aber innerhalb der geltenden Gesetze der Spielwelt :ok: und auch schon bevor ich sie ausgeraubt habe :blush2:).

Geduld & Frust
Das Altersgefälle ist besonders stark spürbar.
Das jüngste Kind will am liebsten ständig Action und denkt sich daher in Wartephasen ständig Dinge aus (das ist gut, das Kind weiß mit Langeweile umzugehen), die in der Geschichte passieren (bis hin zur Bestimmung, wo der Gauner sich versteckt, der ihnen das Geld gestohlen hat).
Das mittlere Kind hat ein unglaubliches Geltungsbedürfnis und will daher am liebsten alles gleichzeitig und sofort machen, vergisst dabei aber, dass das mit der Gruppe abgesprochen werden sollte, damit allen klar ist, WIESO und WOFÜR es das machen will. Das führt wiederum dazu, dass die anderen beiden es schnell in eine Schublade stecken und nicht mehr voll ernst nehmen.
Das älteste Kind ist sehr interessiert an der Geschichte, will dem roten Faden folgen und die Gruppe auf Zusammenhalt fixieren, bevorzugt aber das jüngste Kind.
Die Balance des Rampenlichtes zu finden, ist hier deutlich schwieriger als bei Erwachsenen, da Kinder oft weniger Selbstkontrolle haben und impulsiver sind, und sich außerdem selbst noch nicht so gut kennen. Ich überlege, hier einen “Redestein” oder ähnliches einzuführen, damit eindeutig klar ist, wer gerade den Handlungsfokus hat oder ob es einen solchen überhaupt gibt. Ich denke, es wird 2 geben. Einen feien, den die Kinder bei offenen Szenen selbst nutzen können

Eltern raus - Kinder an die Macht
Das klingt jetzt hart, ist aber im Prinzip notwendig. In der ersten Runde hat die Mutter (selbst frische D&D-Spielerin) zugesehen und ist immer wieder regulierend und helfend eingeschritten. Normal und verständlich, doch es hindert die Kinder daran, sich ihren eigenen Modus im Spiel zu suchen - und überschreitet leider auch mal die Spieler-Wissen / Charakter-Wissen Grenze. :acute:
Jedes einzelne Kind hat in der Hintergrundgeschichte angegeben, dass die Eltern der Figur entweder unbekannt oder tot sind, was für mich auf den Wunsch hindeutet, ohne Sicherheitsnetz unabhängig sein zu können. Ihnen ist absolut bewusst, dass die Eltern für sie da sind und sie auffangen, wenn sie fallen - aber sie sehnen sich danach, es auch ganz alleine zu schaffen. Das Spiel ist dafür das perfekte Umfeld, da es ihnen erlaubt, alles auszuprobieren und sich selbst (und gegenseitig in der Gruppe) zu regulieren.
Am nächsten Tag hat sich die Mutter bewusst zurückgezogen, weil sie auch erkannt hat, dass die Kinder sich von sich aus bemühen, als Gruppe und für die Gruppe zu agieren. Außerdem, und ich zitiere hier ihre Aussage an mich: “wenn was nicht passt oder es dir zu viel wird, wirst du dich schon melden.”

Zuhören statt Einmischen
Die Kinder kennen weder das Spielsystem noch die Welt, in der ihre Figuren leben. Ihnen alles vorher groß erklären … ich bin kein Uni-Professor, learning by doing. Die Kinder haben echt große Ideen, wenn sie sich bei einer unsicher sind, werden sie von sich aus fragen, wenn sie etwas tun wollen, was so nicht geht oder Schwierigkeiten bereiten wird, erkläre ich ihnen kurz und einfach das Warum und Wie. Die Kinder WERDEN streiten und sie SOLLEN streiten. Konfliktfähigkeit ist eine der wichtigsten Kompetenzen einer funktionierenden Gesellschaft - also Ring frei. Wichtig ist nur, dass ich als SL regulierend eingreife, bevor es eskaliert, ABER NICHT FRÜHER. Das braucht natürlich auch entsprechend Feingefühl und ein richtiges Maß an Empathie.

Toleranz und Verständnis
Ich habe, in meiner Aufregung und Hektik, ein paar Fehler gemacht und das den Kindern auch genau so gesagt. Sie waren bereit dazu (auch wenn sie das manchmal etwas frustriert hat) meine nachträglichen Änderungen hinzunehmen und haben sich auch sehr gefreut, wenn ich es dann doch nicht gemacht habe, weil mein Fehler. Ich habe schlicht abgewogen, wie viel Erfolgserlebnis ihnen eine “Verbesserung” meines Fehlers genommen oder gegeben hätte und dementsprechend entschieden. Wichtig ist aber, dass ich meine Verfehlungen offen eingestanden habe.

Geschichte vor Handlungstrang vor Sandkasten
Ich hatte einen klaren roten Faden, und natürlich sind die Kids bei der ersten Gelegenheit anders abgebogen. C’est la vie. Die Figuren der Kinder sind das Zentrum, die Welt darf sich um sie drehen. Aus dem Roten Faden werden Wollknäuel gemacht, die ich ihnen gezielt in ihren Weg lege, wenn es passt.
Komplette Freiheit ist aber auch nichts, denn Kinder WOLLEN einen Handlungsrahmen (wissen und verstehen, wie die Welt funktioniert) - ganz ohne Regeln und Grenzen sind sie orientierungs- und hilflos. Bevor sie sich also komplett in ihren Ideen und Wünschen verlieren, lasse ich lieber Dinge passieren (das reimt sich, und was sich reimt ist gut). Klar, dass nicht alle Dinge das Interesse aller drei gleichermaßen fesseln, aber da haben mich die Kids echt überrascht, indem sie sehr schnell erkannt haben, welche Fähigkeiten ihrer Figuren hier nützlich sind und am besten aufeinander abgestimmt werden können. Ich musste nur ganz wenig aushelfen.

Zeichnen & Basteln
Die Charakterbögen habe ich möglichst einfach und übersichtlich gehalten (im Anhang als PDF angefügt), es ist allerdings immer noch ein erster Entwurf. Eine Ausrüstungsliste … da schwanke ich noch zwischen einer tatsächlichen Liste und Bildkärtchen mit einfachen Angaben (gestaltet wie Spielkarten).
Ich habe den beiden magiewirkenden Figuren ein Zauberbüchlein (mit stark vereinfachten Zauberbeschreibungen) gemacht - in A7 mit Register und in Spiralbindung (kann die Geräte für meine Arbeit und die anderen Runden auch gebrauchen, also war es mir den finanziellen Aufwand wert). Diese habe ich schmucklos gelassen (okay, für den Druiden gabs Elefantenpapier, das sieht aus wie Pergament), damit die Kids sie selbst bemalen können. Um die vorbereiteten Zauber zu markieren, hab ich kleine Klebenotizen beigefügt.
Blei- & Buntstifte, Radierer, Spitzer, Friction-Ballpens, Papier und anderes Material sollte greifbar sein. Wenn die Muse zuschlägt, muss Zeit und Platz für das entsprechende Werk sein. Außerdem will der eigene Charakterbogen individualisiert werden (die klassischen Kaffeflecken werden hier eher nicht zum Tragen kommen … aber eventuell Kakao und Saft).

Klare Tischregeln
Keine Füße auf dem Tisch.
Dein Platz ist dein Platz, kein Umsetzen.
Du darfst (fast) alles haben, aber frag bitte vorher und akzeptiere ein Nein.
Das sind drei meiner wichtigsten Regeln, die ich aber nicht einfach so festgelegt, sondern unter Berücksichtigung der Hausregeln der Familie und entsprechend des Verhaltens am Tisch eingeführt habe. Ich finde Regeln, die nachvollziehbar gewachsen sind besser, als solche “die halt so sind”. Was nicht heißt, dass eine kurze Erklärung einer Regel das nicht auch kann. Kinder akzeptieren Regeln meist, wenn sie die Sinnhaftigkeit derselben nachvollziehen können (austesten werden sie diese dennoch).
Hier empfehle ich auch die “weniger ist mehr” und “miteinander” Herangehensweisen. Je mehr Regeln, desto weniger motiviert sind die Kinder, eigeninitiativ zu handeln & alle Regeln, die gemeinsam und im Einverständnis erstellt werden fühlen sich nicht wie Regeln an. In jedem Fall sollten diese Regeln dann auch exekutiert werden, sonst sind sie effektiv nonexistent.

So … ich denke, damit habe ich alles zusammengefasst und auf den Punkt gebracht, was mir bei und nach der ersten Sitzung aufgefallen ist. Der Termin für die nächste wird bereits vereinbart und ich freue mich darauf.

Ich frage die Kinder, ob ich ihre Story auch hier schreiben darf.
Bis zum nächsten Mal.

cul8r, Screw

Charakterbogen 1.0.pdf (25.9 KB)

2 „Gefällt mir“

Sitzung zwei ist heute über die Bühne gegangen und hat einiges an Entwicklung gezeigt. Da ich das Spielgeschehen mit dem, was am Tisch passiert unmittelbar in Verbindung sehe, will ich euch das auch nicht vorenthalten, werde es aber in einem separaten Thema in den Spielberichten schreiben, damit der jeweilige Lesefluss nicht unterbrochen wird.

Und, weil ich es eingangs nicht erwähnt habe, die Mutter hat ihr Einverständnis gegeben, dass ich das hier schreibe - ich vergaß nur, es gleich zu Beginn anzumerken.

Für “Inspiration” habe ich jedem Kind eine Münze gegeben, aus meiner Sammlung an “hübschen, potentiell nützlichen oder auch schlicht nerdigen RPG-Accessoires”.

Die Kleinste in der Runde ist immer noch begierig darauf, allem und jedem, was ihren kleinen und großen Umtrieben inGame im Wege steht, eine reinzuhauen - was durchaus zu ihrem Charakter passt, aber halt nicht unbedingt förderlich ist, wenn man als "Helden"gruppe zusammen arbeiten will. Die Älteste hat nach wie vor den Drang, dem roten Faden zu folgen und hinter die Rätsel und Geheimnisse zu kommen, ist aber sehr geduldig und versucht, die Gruppe als Team zusammenzuhalten. Der Bruder hat sich mit einer optionalen Einnahmequelle begnügt, die er immer dann nutzt, wenn es wenig zu tun gibt, somit wird Tischzeit gespart.

Der Bruder wollte ja am Liebsten den Umgang mit der härteste Waffe erlernen und die beste, für ihn tragbare, Rüstung besorgen - deshalb auch so der Fokus auf’s Geld. Effektivität.
Ich habe ihm dann gesagt, dass sie für den Kampf ja schon einen Charakter haben, und seiner mit der Magie eher für die Unterstützung da sei. Natürlich könne er all das lernen, die Zeit und der Aufwand wären in seinen Kernkompetenzen jedoch meiner Ansicht nach besser aufgehoben. Zwischendurch äußerte er den Wunsch, ob er nicht den Charakter wechseln könne, worauf ich ihm recht nüchtern gesagt habe, ich sähe die eigentliche Herausforderung im Rollenspiel darin, eben das durchzuziehen, was begonnen wurde, und sich gegenseitig in seinen Stärken und Schwächen zu ergänzen. Ich habe noch eine Anekdote eines Spielers erzählt, der auch ständig seine Figur gewechselt hat, wenn nicht innerhalb von X Spielsitzungen seine Vorstellungen erreichbar waren, und dass besagter Spieler nicht mehr Teil der Runden ist. Nicht, weil wir ihn nicht mögen, sondern weil er nie Teil der Geschichte geworden ist.

Den nachvollziehbaren Drang der Kleinen, Grenzen zu sprengen und ihren eigenen Willen ohne Restriktionen durchzusetzen, habe ich schon letzte Runde versucht, einzudämmen - sichtlich ohne nachhaltigen Erfolg. Heute bin ich es anders angegangen, indem ich ihr direkt gesagt habe: “Stimmt, deine Figur hat diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht und es passt auch perfekt in’s Bild, dass sie so reagiert. ICH will dich auch gar nicht davon abhalten, das zu tun, was zu deinem Charakter passt, jedoch bist du dann im Spiel mal 20 Tage unterwegs oder für einige Zeit im Gefängnis oder aus der Stadt verbannt … dann müssen wir ohne dich weiterspielen.” Diese einfache Logik hat sie durchaus eingesehen und ist dadurch mehr bereit, der Gruppe zuzuhören und ihre Aktionen entsprechend anzupassen. Später habe ich ihr auch Gelegenheiten eingebaut, wo sie diesem Drang nachgeben und sogar passend dazu im Zimmer herumtoben konnte (Live Actio Rolplay, nennt man das dann :sarcastic:).

Wer mich aber sehr überrascht hat, war der Bruder. Er scheint manchmal sehr auf das Negative fokussiert zu sein und hat eine vergleichsweise höheres Frustrationsniveau bzw. weniger gute Methoden, dieses zu regulieren. Ich kann es irgendwo nachvollziehen, lebt er doch mit der Mutter und den zwei Schwestern in einem “3-Mäderl-Haus” und ist auch noch das mittlere von drei Kindern. In den beiden Spielpausen, in der wir schwimmen gegangen sind, hat es auch wieder Situationen gegeben, in denen er “nicht zum Zug gekommen” ist, weil die beiden Schwestern ihm gefühlt “das Bühnenlicht genommen” haben. Er spielt mit allein der Mutter, ich komme dazu, dann ist da sofort die kleine Schwester und dreht auf. Die Tochter der Nachbarn ist auch im See, die drei Mädels spielen miteinander, er fühlt sich ausgeschlossen. Irgendwann hat er sich dann einfach auf den Steg zurückgezogen und dort seine Wut niedergekämpft. Als ich dann mit ihm darüber gesprochen habe, warum er nicht gleich sein Problem angesprochen habe, hat er klar formuliert geantwortet: “Bevor ich meine Tränen nicht mehr zurück haltn konnte, bin ich weg.”
Ja … macht Sinn. Niemand zeigt gerne Schwäche vor der “Konkurrenz”, und Jungs (in unserer Gesellschaft nach wie vor) ganz besonders. Ich habe ihm zugestimmt, dass das in seiner Situation absolut nachvollziehbar ist und versucht, ihn zu alternativen oder vorbeugenden Methoden anzuregen - es ist meist besser, wenn das von den Kindern selbst kommt, als von Erwachsenen “aufdiktiert”. Derzeit war er noch zu sehr in seiner Situation gefangen, aber er hat zugehört. Dann kam etwas, das ich nur als sehr aufmerksam, klug und reflektiert bewundern kann: Er hat (mit seinen Worten) gesagt, es wäre vielleicht besser, wenn er mit anderen Leuten (also fremden oder Kindern die er nicht so gut kennt) rollenspielen würde, weil da nicht so viele (negative) Erwartungen mitschwingen, die daher rühren, dass man einander praktisch das ganze Leben lang kennt. Mir blieb, offensichtlich, nichts anderes übrig, als ihm zuzustimmen - denn er hat recht. Abschließend habe ich ihm noch ergänzend hinzugefügt, dass das Spielen mit den Geschwistern aber auch die Möglichkeit gibt, ganz neue Seiten aneinander kennen zu lernen, indem die gespielten Figuren von den spielenden Personen getrennt betrachtet werden. Ob er diese Fähigkeit schon hat bzw. umsetzen kann, wird sich zeigen.

Gegen Ende der Sitzung, ergab sich eine Situation, in der alle zur Zusammenarbeit aufgerufen waren - und das ging wie von selbst. Innerhalb von 10 Sekunden war die Arbeit aufgeteilt und wurde umgesetzt. Als es dann zu Problemen mit NSC kam, wurde spontan eine simple aber effektive List ersonnen, die (mit ein klein wenig Würfelglück) auch reibungslos funktiniert hat. Ich habe das sofort gelobt und es wurde auch von der Gruppe begeistert anerkannt. Weiters kam eine spontane Idee auf, die die anderen erst als “klassischen, unnötigen Alleingang” abtun woillten, aber ich vermutete ein Konzept dahinter, also habe ich die anderen zur Geduld aufgerufen und gesagt, dass ich eine Idee habe, worum es geht, aber es mit den eigenen Worten des Kindes hören möchte. In der Tat war es ein entzückender, kreativer und abstrakter Gedankengang, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er dem Kind in diesem Ausmaß bewusst war. Ich habe meine Vermutung anschließend aber ausformuliert, und nach dem Gesichtsausdruck des betreffenden Kindes, hatte ich wohl nicht ganz unrecht. Auch das habe ich gelobt und die Blicke der anderen haben mir zugestimmt.

Mit diesen beiden vorletzten Aktionen der Heldengruppe in dieser Sitzung, war die Stimmung plötzlich eine ganz andere. Gelöst, stolz (aufeinander und auf sich selbt), fröhlich, aufgeregt, bestätigt … einfach toll.

Die drückende Schwüle hat uns dann zum eher frühen Ende genötigt, aber ich konnte noch die Cliffhanger-Szene reinbringen, die die Gruppe endlich auf Stufe 2 katapultieren würde.