Ich präsentiere:
Charles Stross (lt. Aussagen des Verlags den neuen Star der SF) mit
Singularität
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[SIZE=1]Heyne-verlag[/SIZE]
Aus dem Innentext (s.a. Heyne-HP):
Bahnbrechende Erkenntnisse in der Quantenlogik sowie die Entwicklung eines Überlichtgeschwindigkeitsantriebes bestimmen das Weltgeschehen im 21. Jahrhundert. Während die Diskussion um den Nutzen von Zeitreisen und die damit einhergehenden Verletzungen der Kausalität die Wissenschaft in Atem halten, stochert unversehens eine haushoch überlegene Intelligenz in dem Ameisenhaufen der irdischen Zivilisation und bringt folgende Botschaft: „Ich bin das Eschaton. Ich bin nicht euer Gott. Ich stamme von euch ab und existiere in der Zukunft. Ihr dürft innerhalb meines historischen Lichtkegels nicht die Kausalität verletzen. Wehe, wenn doch.“ Binnen Sekunden kommt es zu dramatischen Veränderungen: neun Milliarden Menschen werden aus dem Universum herausgeschleudert [Anmerkung: Falsch – nach meinem Verständnis des Buches wurden sie im Universum verteilt] – und wer immer in der Folge die Kausalität zu verletzen droht, wir vernichtet.
Rund 400 Jahre später, fern von der alten erde, leben die Menschen der Neuen Republik unter der Knute eines technikfeindlichen feudalistischen [Anmerkung: s.u.] Systems. Da regnet es Telefone vom Himmel, und eine Stimme fordert Informationen im Austausch gegen Gaben jeglicher Art. Es ist die Stimme des Festivals; einst Teil einer menschlichen Zivilisation, fungiert es nun als mobiler Informationsdienst [Anmerkung: Wie man darauf kommt ist mir unklar] und reist im Zickzackkurs durch die Sphäre bewohnter Welten. Schnell macht sich eine Gruppe verzweifelter Dissidenten die Gabenvielfalt der unbekannten Mach zunutze. Während die Zustände in der Neuen Republik eskalieren, ersinnt die Admiralität einen verwegenen Plan: Bestückt mit geächteten Waffen begibt sich die Lord Vanek auf einen Kurs in die unmittelbare Vergangenheit um das Festival zu zerstören…
Diesem Text konnte ich nicht wiederstehen, auch die ersten Seiten des Buches machten mich nur noch interessierter – also wurde es gekauft.
Geschichte & Kritik:
Abgesehen von obigen Korrekturen beschreibt der Text den Hintergrund des Buches recht gut, aber nur den Hintergrund, nicht etwa das Buch. Das Buch selbst beschreibt den Einfall des Festivals in die Neue Republik, eine feudalistischer Staat, in dem das zaristische Russland mit Stalins UDSSR gekreuzt wurde. Die Regierung, die für Zwecke des Militärs und des Geheimdienstes alles andere als technikfeindlich ist, unterdrückt das Volk nicht zuletzt dadurch, dass es ihm eben diese Technik vorenthält. Und in dieses Ungleichgewicht platzt nun eine Macht, die jedem für Geschichten, die man ihr erzählt, alles gibt was der sich wünscht. Eine Singularität in der Geschichte dieses Reiches – gegen die sich natürlich Widerstand regt.
Damit sind wir beim zweiten Puzzlestück, aus dem sich die Geschichte zusammensetzt: Das Militär plant eine Zeitreise, um knapp nach Ankunft des Festivals bei dem betroffenen Planeten zu erscheinen und dieses zu vernichten – in der Hoffnung, dass dieser Plan die durch das Eschaton gesetzten grenzen gerade nicht verletzt.
Andere Mächte sind da aber skeptischer, und so werden eine Agentin der „UNO“ von der alten Erde und ein Agent anderer Mächte darauf angesetzt, das Gelingen des Plans zu verhindern, was wiederum den Geheimdienst der Neuen Republik auf den Plan ruft.
Das alles koppelt sich mit einem Erzählstil, der sehr bemüht ist, die verwendete Technik anhand physikalischer Gesetze zu erklären (auf Deutsch auch mit Fußnoten, ob das im Original so ist, weiß ich nicht) und der in vielen Passagen durch skurrile Ideen und Flapsigkeit an D. Adams erinnert.
Soweit so gut, und trotzdem bin ich nicht begeistert.
Der Autor präsentiert mit dem geschaffenen Universum eine Reihe wunderbarer Ideen und mit den beiden Agenten zwei sehr gelungene Hauptpersonen, baut diese aber nur ungenügend aus. Viele Ideen bleiben Andeutungen, sei machen neugierig und bleiben dann den Rest des Buches unbenutzt. Auch die technischen Details sind oftmals ermüdend und außer den beiden Hauptpersonen bleiben alle weiteren Figuren, sogar die wichtigeren Antagonisten, eher Pappkameraden, die aus recht platten Klischees aufgebaut sind. An Klischees spart er aber auch bei den Hauptpersonen nicht. Und trotzdem bleibt man beim Lesen Dabei – ich wollte wissen, wie das Buch ausgeht, ich wollte weitere Ideen finden – und blieb doch stets etwas unbefriedigt zurück. An einigen Stellen kann ich dieses dumpfe Gefühl auch präzisieren und auf einen Punkt fokussieren: Ein Hauptproblem scheint mir, dass der interessanteste Teil der Geschichte, die Wirkung des Festivals auf die Gesellschaft der Neuen Republik, leider getrennt von den Hauptpersonen geschildert wird. Somit wird die interessante Geschichte anhand von platten Charakteren erzählt und die interessanten Charaktere halten sich in der uninteressanteren Geschichte auf. Und diesen Widerspruch kann der Autor nicht auflösen – ebenso wenig wie den, dass ich mir nie sicher war, ob der Autor seine Geschichte absichtlich skurril und ironisch erzählen wollte, oder ob es ihm ernst damit ist?
Fazit:
Letztendlich muss ich für mich festhalten:
Einige der besten Ideen, die ich in letzter zeit gelesen habe, einge der skurrilsten Einfälle – und trotzdem (oder deswegen?) zu viel gewollt und zu wenig konsequent umgesetzt. Und damit, das Potential der Ideen verschwendet.
Ich werde dem Autor auf jeden Fall eine zweite Chance geben, denn wo so gute Ideen stecken, da muss doch auch eine gut erzählte Geschichte stecken…
Daher: 3-4 von 6 möglichen Punkten
P.S.
Die Übersetzung: Ich habe das Ding auf Deutsch gelesen und sogar ohne Kenntnis des Originals ist mir klar, dass hier einige Fehler passiert sein müssen. Der offensichtlichste ist, dass immer wieder geschrieben wird, die Raumschiffe bewegten sich mit 2g (oder anderen Zahlen). Nun ist g die Erdbeschleunigung und mit einer Beschleunigung kann man sich nicht bewegen, man kann nur – naja – beschleunigen eben. Nun ist das vielleicht nicht schlimm, aber inzwischen weiß ich, dass im original an betreffenden Stellen „accelerated“ steht – und wenn die Übersetzerin schon hier falsch übersetzt, stellt sich die Frage, wo noch. Technisch wird das Buch je weiter man kommt eher komplizierter als der Unterschied zwischen bewegen und beschleunigen…