Wie kann/darf/sollte/muss man (s)einen Charakter spielen?

Wenn ich mir erlauben darf, da meine 2 Cents dazuzugeben:

Zum einen: es kommt immer darauf an, was die Gruppe will.
Ich habe eine “Vampire - World Of Dorkness” Kampagne geleitet, wo alle hinterfotzige Soziopathen gespielt haben, und alle hatten viel Spaß dabei - inklusive mir, der ich dabei zusehen konnte, wie die Spielercharaktere die Gegner, die ich ihnen hingestellt habe, meist innerhalb kürzester Zeit zermerschert haben und den größten Teil der Sitzung damit verbrachten, sich gegenseitig Messer in den Rücken zu rammen. Das war von vornherein abgesprochen, und alle hatten Spaß dabei. In der im anderen Thread erwähnten D&D5-Runde war der Barbar der Gruppe meinem Charakter gegenüber recht unhöflich - wieder, wir haben Out of Game darüber geredet, der Spieler wollte gerne einen gewalttätigen Soziopathen spielen, um etwas Real-Life Frust abzubauen, und alles war in Ordnung. Als Erzähler rede ich halt meist vorweg mit den Spielern über das Setting, und wie viel Inter-Charakter-Sabotage ich bereit bin zu erlauben (typischerweise abhängig davon, was die Spieler wollen). In den meisten Kampagnen würde ich einen soziopathischen Charakter mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als Erzähler einfach nicht gestatten.

Zum anderen: es gibt Interpretationsspielraum.
Ich spiele meist in einem von mir entwickelten System, wo man beim Charakterbau Erfahrungspunkte für Nachteile bekommt, und Erfahrungspunkt-Abzüge, wenn man die Nachteile dann nicht ausspielt. Wenn sich also jemand entscheidet (und ich als Erzähler erlaube), dass er “Jähzornig” für X Punkte in seinem Charakterblatt stehen hat, dann sollte der Spieler sich auch bemühen, das auszuspielen. Aber es gibt so gut wie nie nur genau einen Weg, einen Nachteil auszuspielen. Der Charakter wurde beleidigt, und ist jähzornig? Hier wären ein paar Möglichkeiten, wie er reagieren könnte:
[ul]
[li]Wie im Beispiel, indem er schubst. Man könnte den Schubser so weit abmildern, dass er keinen Schaden verursacht.[/li][li]Indem er dem Anderen sein Bier in’s Gesicht schüttet.[/li][li]Indem er den Anderen anschreit.[/li][li]Indem er ein Duell androht.[/li][li]Indem er wüst zurückschimpft.[/li][/ul]
Und so weiter und so fort. All dies wären legitimie Möglichkeiten, den Jähzorn auszuspielen. Wenn der Charakter sich zurücklehnt, lächelt, und sagt: “Ist schon gut so.”, dann ist etwas komisch gelaufen. Aber als Spieler kann man sich unter den vielen Möglichkeiten einer sofortigen Reaktion eine auswählen, und daraus folgt auch, dass man auch die Verantwortung hat, die durch diese Wahl und deren Konsequenzen entsteht. Das bedeutet sowohl, dass man manchmal sich erst mal eine Sekunde Zeit nehmen sollte, um darüber nachzudenken, was denn nun die passendste Reaktion ist, als auch, dass man gelegentlich um des Wohlbefindens der Gruppe willen eine Option wählen sollte, die einem initial vielleicht nicht die liebste und naheliegendste ist.
So eine Entscheidung kann auch zu interessanten Konsequenzen führen. Es passiert auch im realen Leben immer wieder mal, dass wir uns selbst überraschen, warum sollte dies also nicht auch bei Rollenspielcharakteren vorkommen? Und wenn ein Charakter feststellt, dass er sich in bestimmten Situationen nicht so verhält, wie er erwartet hätte, dann gibt das Gelegenheit darüber nachzudenken, wieso er so wurde, wie er ist, und wie er sich weiterentwickeln könnte.

Ein Beispiel: ich habe vor Jahren im DSA einen Elfen gespielt, der Erzähler wollte die Gruppe in der Wildnis zusammenbringen, und mein Elf hörte die anderen gegen Waldspinnen kämpfen und eilte zu Hilfe. Nachdem die Spinnen besiegt waren, merkte mein Elf an, dass es nicht gerade von überragender taktischer Begabung zeugt, das Nachtlager in einem Spinnennest aufzuschlagen. Der Nordlandbarbar nahm das persönlich, und hat meinem Elf eine reingehauen (inklusive Attacke und Schaden). Ich habe angemerkt, dass mein Charakter darauf jetzt nicht reagieren wird, aber ich das für inakzeptabel halte (im DSA ist es auch nicht so, dass jeder Schaden automatisch nach einer Rast verschwindet). Darauf kam vom Spieler ein flapsiges: “Mein Charakter ist halt so.” Ich habe dann ruhig erklärt, dass mein Charakter diese Runde noch überhaupt nicht kennt (ähnlich wie im originalen Beispiel), und nach dieser Behandlung absolut keinen Grund hat, mit so einem Soziopathen weiter zu reisen. “Mein Charakter ist halt so”, dass er keine Lust hat, Zeit mit gewalttätigen Arschlöchern zu verbringen. Wenn wir also beide darauf beharren, dass jeder seinen Charakter so ausspielt “wie er halt ist”, dann geht jeder seiner Wege, und die Runde kommt einfach nicht zustande. ODER wir erklären uns bereit, im Sinne der Gruppenharmonie zu versuchen einen Konsens zu finden, und unser Charakter-Ausspielen etwas hinter den gemeinschaftlichen Interessen zurückzustellen.

Noch mal - wenn jemand zur Abwechslung und zum Frustabbau mal ein gewalttätiges Arschloch spielen will, will ich das nicht kritisieren. Aber redet halt mit den Spielern darüber. Wenn die anderen von vornherein wissen, wo ihr herkommt, und warum, hilft das immens zu verhindern, das Konflikte zwischen Charakteren zu Konflikten zwischen Spielern werden. Wenn ich weiß, dass in dieser Runde Gewalt zwischen Spieler-Charakteren einfach dazu gehört weil wir alle Orks spielen, dann stelle ich mich eben darauf ein, oder suche mir eine andere Runde. Aber wenn ich mehrere Stunden damit verbracht habe, mir eine coole Hintergrundgeschichte für meinen Charakter auszudenken, und dann wird er in der ersten Sitzung von einem anderen Spielercharakter (beinahe) ermordet, dann sollte niemand überrascht sein, wenn ich sehr negativ darauf reagiere.

5 „Gefällt mir“

Ich sage es meistens so: Die Einzelgänger sind alle schon vorher los, ihr habt nur noch die Kooperativen in der Auswahl.

Gerade der letzte Abschnitt von Sorathars Kommentar gefällt mir sehr gut denn,
ich bin zwar nur ein Casual Gamer was Rollenspiel und Co. angeht aber kann es sein, dass viele einfach nicht bereit sind zusammen zu reden, planen oder ihre Erfahrungen einen zu hohen Standard voraussetzen, den andere einfach nicht haben?

Ich kann offen und ehrlich zugeben, dass ich bei meinen Anfängen, hinsichtlich bei Charaktererstellung und -entwicklung Fehler gemacht habe und nur von medialer Unterhaltung beeinflusst war ohne an eine Gruppenharmonie zu denken.
“Warum auch, immerhin ist das ja mein Charakter und nicht ihrer”, hab ich oder auch der ein oder andere gedacht wodurch wir echt bescheiden aufgestellt waren aber letztlich einfach die Gruppendynamik, die war, die das Abenteuer haben scheitern lassen.
Mittlerweile hab ich die ein oder andere Gruppe kennenlernen dürfen und hab teils aus meinen Fehlern gelernt ABER was den Gruppenaufbau oder auch Zusammensetzung angeht nicht viel verändert hat. Das mag bei einer Gruppe evtl. anders sein die sich persönlich trifft (reine Spekulation), jedoch trifft man sich kurz, hat vielleicht vorher noch ein OneShot und dann geht’s los, dass sich jeder einen Charakter austüfteln soll/kann.

Persönlich denke ich, ist ja auch nichts falsch daran so an ein Abenteuer ran zu gehen aber vielleicht sollte man sich auch einfach mal etwas genauer kennenlernen als nur “Hallo ich bin der oder die XY…” um vielleicht Situationen, die den einen oder auch die gesamte Gruppe verärgern könnten, zu vermeiden.
Wie schon gelesen hab versuchen einige ja nur den Stress abzubauen aus ihrem RL, wieder andere versuchen sich zu profilieren und ganz andere lassen sich von Quellen inspirieren, mit den die Gruppe nichts anfangen kann. All das lässt sich ja denke ich in einer vernünftigen Gruppe besprechen, denn das Problem liegt nicht immer bei der einen Person die aus der Reihe tanzt sondern liegt vielleicht tiefer in der Gruppe (natürlich immer inklusive Spielleitung) selbst.

1 „Gefällt mir“

Ich denke bei diesem Thema oft an Fate Core mit seinem “Phase Trio”: Nachdem bei der Charaktererschaffung eine Grundidee gefunden wurde…

  1. überlegt sich jeder Spieler bzw. jede Spielerin ein vergangenes Abenteuer der Figur und…
  2. benennt dann eine andere Spielerfigur. Der Spieler bzw. die Spielerin dieser anderen Spielerfigur überlegt sich eine kleine Rolle, die seine bzw. ihre Figur in diesem Abenteuer gespielt hat (Möglichkeiten: sie hat das Abenteuer komplizierter gemacht, sie hat eine Szene gerettet oder beides)
  3. benennt eine zweite andere Spielerfigur (siehe 2).
    Hinterher haben alle Spielerfiguren einen Background und zwei andere Spielerfiguren, mit denen sie bereits vertraut sind.
    Demnächst werde ich das wohl mal ausprobieren.
1 „Gefällt mir“

Die Powered by the Apokalypse Systeme machen das sehr oft. Man bekommt Prompts, woher die Charaktere sich kennen oder wie sie sich gegenseitig beeinflusst haben und hat somit diese merkwürdige Phase “Wir kennen uns nicht, warum sollten wir miteinander reisen?” übersprungen. In DnD gebe ich meinen Spielern ebenfalls die Chance, dass sich die Charaktere kennen, je nach Backstory.

Ich will mal das Thema ein wenig umdrehen

Bisher ging es immer darum die Charaktere nicht zu böse zu spielen, Etc.

Ich habe mich in einer neuen Dungeons and Dragons Gruppe eingeschrieben geleitet vom mir erwähnten Custom Star Wars Dungeon Master.
Ich habe diesmal einen sehr mächtigen Charakter erstellt: Vulpin (Die kriegen Intelligenz Boost) als Magieschmied (Die auch einen Intelligenz Boost kriegen).
Ich wundere mich, dass er diesen Charakter durch gewunken hat. XD

Kurz und knapp: Wenn man merkt, dass der eigene Charakter viel zu mächtig ist (Wir haben es noch nicht in der Praxis umgesetzt)
Sollte man sich dann lieber zurück halten oder nicht?
Wenn der Dungeon Master uns eine verschlossene Tür hinstellt und ich dauernd als Magieschmied Kanonen herbei zaubere wird es für die anderen recht langweilig auf Dauer oder nicht?

Ja, wie schon gestern auf Discord besprochen wird es für dich sowie die anderen Spieler sehr schnell Langweilig. Dazu kannst du davon ausgehen das die Antipathie gegen dich immer weiter ansteigt je öfter du Begegnungen trivialisierst.

Ich selbst habe es durch einen sehr gepimpten Druiden bemerkt wie ätzend das am Tisch werden kann.
Du hast Hunger und bist verletzt? Hier sind Gute Beeren
Monster im Raum gut ich werde Tier und tanke das einfach mal weg.
Wir sind auf reisen? Kein Problem ich versorge uns mit allem was nötig ist… ohne Gold und Gegenstände.

Besagter Spieler war sehr schnell der Grund für eine gereizte Stimmung am Tisch.

Wie ist das geendet?

Nach ca. vier treffen. Da es kaum möglich war den Druiden von den Regeln zu stoppen, wurde das Spiel eingestellt. Keiner der anderen Helden fühlte sich benötigt und hatten eher das Gefühl einfach nur das Beiwerk zu sein.

Und ihn zu töten wäre ja “unfair” gewesen
Hättest du ihn nicht einschränken können oder ihm sagen können, dass er sich zurück halten soll?

Mit welcher Berechtigung? Das Spiel gibt ihm ja die Werkzeuge an die Hand.
Als SL kannst du nur die Bedrohungen erhöhen oder halt “unfaire” Situationen herbei provozieren.
So gar nicht mein Stil

Meiner auch nicht

Die kurzen und langen Rasten habe ich dann versucht etwas zu minimieren was dann noch mehr Unmut an den Tisch brachte. Diese Regel wurde dann doch zu gerne von jedem ausgenutzt am Tisch.

Bei Oneshots sehe ich das nochmal anders - du hattest ja “Die Kutsche” genannt. In einer Kampagne oder Abenteur-Serie, in der die Charaktere vielleicht über Jahre zusammen herumziehen, kann ein Dieb ja am Anfang die Gruppe beklauen (und der Krieger kann ihm die Zähne in den Hals treten, falls er ihn erwischt), aber wenn man sich länger kennt und Freundschaft schließt, dann wundert es mich schon, wenn man die Gruppe immernoch beklaut oder den Charakter eines Mitschpielers ermordet, weil er ein Elf oder Zwerg ist. Sogar Gimmli und Legolas sind Freunde geworden…

In Bezug auf solche “One-Character-Armies” habe ich eine relativ einfache Lösung.
“Du bist so mächtig, du brauchst uns gar nicht, um das Abenteuer zu erledigen. Dann mach das mal ohne uns und wir kümmern uns parallel um eine andere Bedrohung. So sind wir insgesamt effektiver.”
InGame macht es absolut Sinn und OffGame ist es eine recht klare Botschaft. Keine Garantie auf Erfolg. Formulierung individuell anpassbar.

1 „Gefällt mir“

Ich finde, manche Char-Klassen werden sowohl von Spielern als auch von DM, die das zulassen, letztlich nicht richtig gespielt. Chars wie Paladine oder Druiden, die sehr übermächtig erscheinen, erhalten im Grunde einen Ausgleich dafür, daß sie in ihren Handlungen durch ihre Ideologie, die ihnen ihre Macht gibt, in dem, was sie tun dürfen stark eingeschränkt werden. Paladine müssen sich GENAU an die Vorgaben ihres Glaubens halten und MÜSSEN IMMER entsprechend handeln. Wenn Sie es nicht tun werden sie ihrer besonderen Fähigkeiten beraubt und sind gefallene Paladine. Druiden müssen neutral sein, für die Natur und einen ausgewogenen Lebensstil aller Lebewesen sorgen. Ist also nix mit vorbehaltloser Unterstützung jeder beliebigen Abenteurergruppe. Wo wäre dann das ausgewogene, das kümmern um die Natur, der Ausgleich verschiedener Interessen innerhalb der Natur. Wenn Sie nicht entsprechend handeln sind sie keine Druiden mehr und sollten dann auch keine Druidenfähigkeiten haben.

Es ist genauso wie Magier, die keine Rüssi tragen dürfen beim zaubern. Das ist ein erheblicher Nachteil. Kleriker dürfen, aber nur mit der Einschränkung, daß sie, siehe Paladine, sich an Regeln halten müssen, die Magiern egal sein können, nämlich die des jeweiligen Gottes, seiner Waffenauswahl, seiner Gesinnung. Ohne das ist der Magier, Einschränkungen sind da aber überwindbar (Rüssizauber wenn wach und handlungsfähig), und dann folgt freies Tun.

So gesehen, wenn der Druide aus dem Wald geht und sich nicht mehr kümmert, was auch als Vollzeitstelle ausgelegt werden sollte, dann ist nix mehr mit Gestaltwandeln, zaubern und Gegner der Gruppe wahllos plattmachen, eben weil die Gruppenziele eher nicht dem Ethos der Druiden entsprechen.

Ich sehe ein, daß es für DM schwer sein kann, soetwas einem Schweizer-Taschenmesser-Druiden beizubringen. Nach meiner Erfahrung ist die Einschränkung solcher Fähigkeiten gerade schwierig bei denen, die allmächtige Chars bevorzugen. Aber dann müssen eben alle damit leben, daß ein Char nur Vorteile hat, wenn man ihm alle seine Nachteile erlassen hat.

1 „Gefällt mir“

Wegen Magieschmied hätte ich mir überlegt, wenn die Klasse zu OP wird, dann halt ein Max. an Items die ich spawnen kann zu setzen, bis ich dann eine Rest benötige…
Ist fairer + realistischer…

Sind Sie bitte so gut und übersetzen mir die Begriffe “OP” und “spawnen” ins Hochdeutsche? Ich gehöre nämlich zu jenen Typen, die nicht unbedingt perfekt die englische Sprache beherrschen …

1 „Gefällt mir“

OP= Overpowered, zu deutsch soviel wie übermächtig.

Spawnen= Laichen. In diesem Fall eher als “aus dem Nichts erschaffen” zu verstehen.

Ich hoffe das hilft @Feuertraum .

2 „Gefällt mir“

Danke @Elpetteh Das hilft mir sehr gut weiter :slight_smile: