Wie stark verändert ihr die Geschichten?

Hallo alle :smiling_face_with_three_hearts:,

ersteinmal… Je nachdem wie sich der chat entwickelt will ich direkt mal eine Spoilerwarnung an die Leute rausgeben. Meinen Text schreibe ich ohne spoiler.

alsoooo ich habe D&D bisher immer nur aus der Perspektive des Spielleiter gesehen. Ich kaufe mir gerne die vorgefertigten Geschichten. Aktuell ist es der Fluch des Strahd. Aber immer wieder merke ich das sie Geschichten gar nicht mal so gut sind. Deswegen nutze ich immer nur das grundgerüst der Geschichte. Aber ich ändere dann immer sehr viel. Zb wie die Leute von a nach b kommen. Oder baue Zeichenbegegnungen ein. Auch die Gegner und deren Geschichten tausche ich teilweise komplett aus. Ich kritzel auch immer Buch herum und mache mir da Notizen was geändert werden soll oder markiere quer verweise in anderen büchern. Leider fehlen die in den Geschichten ja auch.

Mir kommen die gekauften Geschichten einfach irgendwie zu spröde vor. Ohne gute Atmosphäre oder teilweise schlechtem Verlauf. Jetzt würde ich gerne wissen wie ihr das seht und handhabt. Oder ob das nur an mir liegt :thinking:. Wäre cool wenn wir uns hier vielleicht ein wenig austauschen können, oder vielleicht sogar neue Ideen für die Geschichten zustande kommen könnten.

Ich bin generell kein Freund vorgefertigter Abenteuer.
Für mich als GM ist es einfach essentiell dass ich meine Geschichten selbst schreibe und gehört zu meinem Selbstanspruch…und bis zu einem gewissen Maß würde ich das auch als Spieler erwarten.

Ich habe schon einigen Runden als Spieler abgesagt weil immer wieder die gleiche Kauf-Kampagne gespielt werden sollte…wird schnell langweilig und wäre für mich als Spieler auch weiterhin ein No-Go.

Trotzdem besitze ich zu meinen Systemen weit über 100 Abenteuerbände.
Warum?
Ich lese sie gerne, aber eher wie einen Roman. Weil mich die Welt interessiert, weil es Inspirationen und neue Ideen gibt.
Jeder Mensch tickt anders und man kann immer voneinander lernen oder neue Ideen gewinnen.

Darum kann ich sagen dass ich vorgefertige Stories nie spiele wie sie kommen, sondern sie mir nur Impulse geben.
Die restliche Story, das Grundgerüst, NPCs, Gegner, Plot etc stammt aber komplett von mir.

Beispiel:
Die alte Call of Cthulhu Kampagne “Horror im Orient Express” ist wirklich gut, aber ich kenne sie in und auswendig.
Ich habe die Idee einer langen Zugfahrt und das generelle Motiv des fahrenden Zuges als “geschlossenen Mikrokosmos” aufgegriffen und meine komplett eigene Kampagne erstellt. Habe weitere Ideen aus dem Call of Cthulhu Universum eingebracht, und mich in Teilen von Metro Exodus inspirieren lassen.
Das Ergebnis: 25 Spielsitzungen mit einer einzigartigen aufwändigen Story zu der ich nach Jahren noch positives Feedback bekomme…

Ich habe noch lange nicht alle Geschichte von D&D durch. Und genau genommen bin ich auch anfänger :yum:. Die fertigen Geschichten sind denke ich ganz gut um Erfahrung sammeln zu können. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht mal wie ich eine eigene Geschichte anfangen sollte. Kannst du dich einfach hinsetzen und loslegen? Oder brauchst du diesen einen Moment der dich auf die Idee einer Geschichte bringt?

Klar, als Anfänger ist das durchaus vertretbar und die Frage ist eben auch, welche Selbstansprüche du an dich hast. Wieviel Zeit und Aufwand willst du investieren, wie schnell willst du dich als Spielleiter weiterentwickeln usw.
Da muss und soll auch jeder seinen eigenen Weg finden.
Plus es ist natürlich auch eine Frage der Kommunikation mit den Spielern. Wenn deine Spieler (oder auch nur einer davon) die Kampagne schon kennen sollte kann das ein Gamebreaker sein weil er spoilert usw…oder ein großer Vorteil weil er sein Vorwissen untersützend einbringt (Durch Aktion seines Charakters) ohne Spoiler zu liefern…und jemand bereit ist eine Kampagne zu spielen die er schonmal erlebt hat.

Tatsächlich ist Geschichten schreiben für mich ein seit Jahren stattfindendes Ritual. Ich schreibe meine Geschichten nicht für eine besondere Gruppe, sondern zu allererst für mich. Was würde ich gerne für eine Story erleben, was macht sie authentisch, welche Spieluniversum-typischen Motive möchte ich diesmal verwenden usw…und dann kann es sein dass so eine Szene aus einem Film, einem Buch oder einem Game die Inspiration für eine komplette Story gibt. Wenn ich diesen Zündfunken erstmal bekommen hab entsteht der Rest im Kopf fast von selbst.

Trotzdem versuche ich beim Stories schreiben immmer eine gewisse Methodik an den Tag zu legen. Ich nehme mir ein großes Blatt Papier, und schreibe meine Idee mitten drauf…und dann im Stile einer Mindmap Locations, Plots, Encounter usw. drumherum…verbinde das ganze dann entsprechend bis ich einen Fahrplan für diese Story habe. Danach kommen die Details. Personen, NPCs, der genaue Handlungsstrang, die genauen Locations, Plot, Encounter
Das arbeite ich dann in einer für mich passenden Form aus. Meist habe ich viele “Ablaufdiagramme” für den Flow der Story, und habe dann eine Sammlung von Stichworten und Texten zu jedem einzelnen Schritt.
Locations zeichne ich meist digital wenn die Spieler möglicherweise den Bodenplan vorgelegt bekommen, speichere sie. Ein Ausdruck in S/W kommt zu meinen Notizen, da zeichne ich alles GM relevante für mich ein, Notizen usw.
Falls es eine Location ist die so simpel ist dass sie keinen Bodenplan braucht mache ich mir nur eine einfache Skizze in meinen Notizen…

Beispielsweise habe ich gestern Abend einen Film geschaut bei dem ich schon während des Films sofort wusste, dass das ein grandioses Grundgerüst für eine Story ist, die durchaus 8-10h gehen könnte…ich habe mir dann gestern Abend schon Notizen mit meinen ersten Ideen gemacht…und heute kommen mir immer neue Ideen…nachher wenn ich Feierabend habe setze ich mich hin und bringe das ganze dann zu Papier…

Und keine Panik, falls das ganze jetzt überfordernd klingt…aber wenn man sich drauf einlässt kommt das durchaus mit der Zeit…

Abschrecken tut es mich überhaupt nicht. Ich finde das sehr interessant. Ich will den spielern ein möglichst gutes Erlebnis bieten. Und mit macht die Arbeit an den Geschichten grundsätzlich auch super viel Spass. Daher freue ich mich hier über jeden Beitrag. Das hilft mir als spielleiter zu wachsen und die bücher irgendwann auf Seite zu lassen. Ohne die bücher ist man auch nicht ganz an irgendwelche Vorgaben gezwungen. Am liebsten wäre es mir eine Geschichte zu entwerfen die praktisch unendlich lange geht. Die man immer weiter gestalten und ausbauen kann.

Ich verwendet vorgefertigte Abenteuer nur noch als Steinbruch, nehme mir Orte, Personen, Probleme, Gegenstände, etc daraus und stopfe sie für unsere Geschichte passend um. Immer wieder mache die Erfahrung, dass es viel, viel aufwendiger ist sich an alles zu halten was da irgendjemand mal aufgeschrieben hat statt Dinge aus dem Ärmel zu schütteln. Außerdem hat man so vieles schon mal gesehen oder verfällt in Klischees.
Aus einem Abenteuer habe ich mal die Gegenspielergruppe genommen und das Geschlecht gewechselt. So hatte ich eine Kriegerin, eine Magierin, eine Diebin und einen Mann, der sah gut aus und mochte Schmuck. Es wurde viele IT darüber gesprochen, warum die den mitnehmen und kam schließlich darauf, dass eben alle ihren Schnuckel dabei haben sollten. Geschlecht auswürfeln ist eh super, jetzt haben wir eine fast rein weibliche Piratenmannschaft.

Beim ersten Mal leiten dachte ich auch, ich nehme ein vorgefertigtes AB, aber wir spielten dann erst einmal aus, wie die SCs überhaupt zu dem Einstiegspunkt gekommen sind und hinterher hat uns allen das vorher sehr viel mehr Spaß gemacht, als das AB (war ein Dungeon) selbst. Darauf hat es zehn Jahre gedauert bis ich wieder eines in die Hand genommen habe. :see_no_evil:

Inzwischen habe ich wieder ein paar mehr Bücher, um mich inspirieren zu lassen. Die Idee ‘den SCs nahe stehende Person wird aus Versehen in eine Katze verwandelt’ fand ich ganz nett. Den Plot darum herum: wie und weshalb und die Lösung, fand ich allerdings eher langweilig, sodass es etwas anders geworden ist. Besser zu den SCs passend, besser zu dem, was man gerade eh gemacht hatte.

Über die Jahre bin ich ebenfalls davon weg gekommen mir überhaupt einen Lösungsweg für irgendeinen Konflikt oder Problem zu überlegen. Da fällt den SCs oder Spielenden bestimmt selbst etwas ein, welchen ist mir als SL im Grund egal.

So schreibe ich als SL überhaupt keine Geschichte mehr, sondern die schreiben wir dann erst gemeinsam am Spieltisch. Die wichtigste Inspirationsquelle sind dabei die SCs und ihre Motivationen, ihre Hintergründe, irgendwas findet man da immer:
Die Kirche der Priesterin hat ein Problem. Der kleine Bruder des Barbaren hat sich auf eine wagemutige Queste begeben, die weit über seinem Können liegt (und insgeheim eh die Bösewichtig in den Kopf gesetzt hat, weil sie eigentlich will, dass der Barbar irgendwo ist, wo sie ihn für sich nutzen kann), die Lehrmeisterperson der Magierin braucht Hilfe bei einer Vorlesung in Stadt Weiterweg, was weiß ich. Bis jede SC ihre Geschichte hatte ist man bestimmt ein Jahr OT beschäftigt und währenddessen kann man genug Samen für den nächsten größeren Handlungsbogen streuen.

Ich sortiere mir immer alles nach NPC’s, Orten und Events. Diese Notizen sind dann mein flexibler Rahmen.

Anstatt strikt dem Buch zu folgen, biege ich es mir zurecht. Die Module die ich verwende haben oft das Muster von ein Encounter/Event pro Tag. Ich kondensiere dies gerne und mache mehrere Events an einem Tag.

Außerdem nutze ich meine Spieler als Inspiration. Je nachdem wie sie sich einem NPC nähern und ansprechen, verändere ich die Charaktereigenschaften.

So entsteht ein komplett sturer Polizist der schlecht in seinem Job ist aber die Hilfe der Spieler ablehnt, weil sie ihn nerven. Oder eine freundliche Bäckerin die den Halbling für ein Kind hält und gratis Süßigkeiten gibt.

Und veröffentlicht ihr eure Geschichten? Oder behaltet ihr sie für euch?

Ich hab über die Jahre jetzt über einen Regalmeter Aktenordner mit meinen Abenteuern gesammelt.
Ich bin gerade in der Erforschungsphase bzgl Publikation…Verlag ja/nein oder Eigenpublikation etc…

Für mich sind die fertig geschriebenen Abenteuer immer Blick ins “So könnte es laufen!” aber niemals in Stein geschrieben.
Ich sehe den Vorteil bei fertigen Abenteuern darin, dass sich mehrere - oder zumindest ein Autor - sich viele Gedanken gemacht haben, wie die Dinge in seiner Welt zusammen hängen. Und warum einige Dinge geschehen und andere nicht. Das betrifft vor allem längere Kampagnen in denen die Charaktere immer wieder auf die gleichen NSC treffen und deren evtl. Veränderung bemerken und vielleicht schließlich so an die Hintergründe der Geschichte stoßen.
Das muss nicht zwangsläufig auch so in deiner Welt sein und das ist auch gut so.
Was ich aber oft bei Anfängern bemerke, die gleich ihre eigenen Werke an die Spieler bringen wollen, sind oftmals Logik- oder Weltfehler, weil einige Dinge eben nicht zu Ende gedacht sind und die Charaktere vielleicht doch einen anderen Weg wählen und der Spielleiter so durch Improvisation ins schwimmen kommt.
Das kann natürlich auch bei Kaufabenteuern passieren, daher siehe oben (“So könnte es laufen!”).
In meiner über 35 Jahre langen Spielleiterei habe ich daher schon vieles gelesen und umgesetzt; Abenteuer so gespielt wie sie geschrieben wurden andere komplett umgeschrieben, so dass sie in die Welt passten usw.
In der Regel arbeite ich am Tisch auch mit Post-Its im Buch - reinschreiben geht für mich gar nicht :wink:
In den Online-Runden biete ich die Abenteuer oft mehrmals an, so dass ich die Erkenntnisse aus der ersten Runde in die nächste mitnehmen kann und das Abenteuer so verbessere.
Hierzu ein Beispiel: Das ursprüngliche Phandalin-Abenteuer hatte in Phandalin rund 10 NSC um die Spieler nicht zu überfordern, da Phandalin die Spieler dort diverse Möglichkeiten haben zu agieren. Inzwischen gibt es bei mir ein nahezu komplettes Dorf mit 50 NSC, Von Dort aus starten nun auch diverse Nebenquests über das Anschlagbrett an der Steinhügeltaverne (z.B. Alle Quest der Eisnadelgipfelgeschichte und diverse andere, so dass die Charaktere immer einen Grund haben hier wieder herzukommen). Demnächst beginne ich den zersplitterten Obelisken mit einzubauen und das ganze Ding noch mehr aufzublasen.

Zurück zu deiner Frage: Wie stark verändere ich meine Geschichten? So viel wie es muss um zu passen und so wenig wie nötig um den Kern des Abenteuers beizubehalten.

Bei mir kommt der Grad der Anpassung auf viele Faktoren an: Spielercharaktere, Spielervorlieben (bzgl. zeitlichem Rahmen und Komplexität), meine eigenen Vorlieben, Qualität/Umfang/Logik des vorgefertigten Abenteuers und weiteres.

Vorgefertigte Abenteuer bilden für mich aber meist ein gutes Fundament. Ich baue darauf auf, verändere Sachen die mir nicht gefallen, aber behalte meist die grobe Struktur bei. Das gibt auch Sicherheit, vor allem für unerfahrenere DMs und bietet trotzdem die Freiheit die Geschichte so anzupassen, wie man möchte. Ich baue beispielsweise sehr gerne die Hintergrundgeschichten der Spielercharaktere möglichst stark in die Story ein, sofern das auch im Sinne der Spieler ist.

Es bietet auch für den Notfall etwas, auf das man zurückfallen kann, wenn man nicht weiter weiß.
Für viele der vorgefertigten (offiziellen) Kampagnen gibt es Discords, Subreddits und weitere Ressourcen, auf die man zurückgreifen kann, um die Kampagnen auszubauen, sinnvoll zu ergänzen oder zu verbessern. Vieles davon wird kostenlos von der Community bereitgestellt und teilweise echt super. Das erleichtert viel Arbeit, wenn man beispielsweise schöne Karten möchte, aber nicht endlos viel Zeit hat diese zu erstellen.
Ich bin ein großer Fan von dieser Methode. Natürlich gibt es auch einige recht langweilige/schlechte offizielle Kampagnen. Da sollte man im Vorfeld gut recherchieren und sich eine aussuchen, die ein solides Gerüst bildet. Ich empfehle hier auch explizit Third-Party-Abenteuer anzuschauen, wie beispielsweise von Arcanum Worlds (Odyssey of the Dragonlords, Raiders of the Serpent Sea). Da gibt es teilweise echte Perlen, auch wenn man sich gegebenenfalls durch viel Schlamm wühlen muss.