Die Antwort hängt natürlich auch davon ab, welche Art Spiel die Gruppe spielen möchte. Will man maximal Immersion in die Spielewelt und Simulationismus, dann bleibt dem Spielleiter die Möglichkeit in der Spielewelt mit allen verfügbaren Zaunpfählen zu schwenken.
In anderen Fällen, ist es durchaus möglich außerhalb des Spiels einmal nachzufragen. Dabei vermeide ich aber zunächst konkrete Vorschläge zu machen, was zutun ist. Vielleicht habe ich als Spielleiter die eine oder andere Idee, wie man die Situation angehen könnte. Meiner Meinung nach sollte der Spielleiter aber Probleme schaffen und offen für die Lösungen der Spieler sein, nicht eigene Lösungswege so lange durch Hinweise “vorschlagen” bis einer davon angenommen wird.
Beim Nachfragen geht geht es mir daher darum herauszufinden, warum meine Auffassung davon, was vernünftiges Verhalten der Spielercharaktere in der Situation wäre, nicht zu dem passt, was die Spieler tun wollen. Dies ist in der Regel das Kernproblem bei solchen Fällen. Grund dafür ist meist, dass die Spieler eine andere Sicht auf die Situation haben als der SL. Vergessene Informationen, übersehene Hinweise, nicht deutlich mitgeteilte, wichtige Details, eine andere Auffassung der sozialen Strukturen in der Welt und der Plot-Zusammenhänge usw.
Mal ein Beispiel:
Spieler: “Wir gehen zu den Wachen in der Burg und bitten um Einlass.”
Ich als Spielleiter weiß, die Burg gehört dem Erzfeind der Gruppe, Graf Boril Schattenauge, der die Heimatstadt der SCs niedergebrannt hat und sie hinrichten lassen will.
SL: “Wieso wollt ihr in die Burg?” (nicht “Wollt ihr das wirklich tun?!?!?!” - das impliziert, dass das falsch wäre.)
Spieler: “Wir wollen mit diesem Grafen, wie heißt er noch … Schattenauge! Wir wollen mit dem sprechen.”
SL: “Was erhofft ihr euch von dem Gespräch?” (Hier sollte der SL spätestens merken, dass etwas nicht stimmt. Er sollte nicht sagen “lol er würde euch töten.” Die Spieler müssten doch wissen, dass das nicht gut Enden würde, ihren Todfeind um eine Audienz zu bitten.)
Spieler: “Um ihn zu fragen, ob er weiß, wo wir den Typen finden, der unsere Heimat abgebrannt hat natürlich!”
SL: “Wie ihr bereits herausgefunden hattet, Graf Boril Schattenauge ist dieser Typ.”
Dabei geht es nicht darum, die Spieler vor einer extrem gefährlichen Situation zu bewaren. Solche gehören zum Abenteurerleben dazu. Es geht darum zu merken, wann sich die Spieler ausversehen auf eine Art verhalten, die für ihre Charaktere und in der Welt unlogisch und absurd wäre. Die Helden sind Helden, die Spieler sind aber normale Leute, die vielleicht grad eine stressige Arbeitswoche hinter sich hatten. Da mal etwas nachzuhaken, ob auch alles richtig angekommen ist, ist nicht wild meiner Ansicht nach.
Etwas anderes ist es, wenn sich Spieler und Charaktere vollen Wissens entscheiden etwas waghalsiges und extrem riskantes zu tun.
Noch’n Beispiel:
Spieler: “Wir gehen zu den Wachen in der Burg und verlangen Einlass.”
SL: “Wieso wollt ihr in die Burg?”
Spieler: “Wir wollen mit Graf Schattenauge zeigen, was mit Leuten passieren, die unsere Heimat angreifen!”
SL: “Den Helden ist bewusst, dass das sehr gefährlich wird. Ihr greift den Grafen dort an, wo er am stärksten ist frontal an: In seiner Burg, umgeben von seien Leuten.”
Spieler: “Wo ein Feuerball ist, ist auch ein Weg!”
SL: “Sind alle dabei?” Alle: “Ja, los geht’s.” (Wichtig ist, dass alle Spieler ihr einverständnis geben. Es lohnt es sich jeden noch einmal einzeln zu fragen um später Unmut zu vermeiden.)
Hier haben die Spieler eine informierte Entscheidung getroffen die riskant, mancheiner würde sagen “dumm” ist. Aber vielleicht sind die Charaktere emotional so aufgeladen, dass sie diese Übersprungshandlung machen. Vielleicht haben die Spieler einen Plan. Vielleicht ist es auch einfach, was Helden manchmal tun. Aber alle wussten, worauf sie sich einlassen und das unterscheidet das Beispiel vom Ersten. Das wird auf jeden Fall eine Geschichte, über die man noch lange am Tisch reden wird. Imo ist diese zweite Situation keine Problemsituation.
Vielleicht noch ein paar Ideen dazu, was man tun kann als SL, wenn die Situation “Spieler handeln komisch, weil Informationen fehlen” zu oft auftaucht. Denn auch wenn man diese durch gezieltes Fragen nach den Motiven hinter dem Handeln entschärfen kann, nervt es doch, wenn man das sehr oft tun muss. Dann kommt wenig Spielfluss auf.
[ul]
[li]Die Spieler sollten sich im besten Fall gut organisierte Notizen machen und sich diese vor der Sitzung noch einmal anschauen. Das ist, finde ich, nicht zuviel verlangt. Es ist ein kooperatives Spiel, alle machen mit (zur Not plant dafür 10 Minuten am Start der Sitzung ein, jeder liest sich kurz wieder für sich genommen ein).[/li][li]Selbst Aufmerksame Spieler mit sehr guten Notizen nehmen nicht ansatzweise so viele Informationen auf, wie der SL denkt. Es ist VIEL weniger. Schaue, welche Informationen wichtig sind, un baue diese wiederholt ein. Und nicht nur durch das gesprochene Wort der NSCs. Nutze Beschreibungen, Ereignisse, Kämpfe, Loot, Handouts, Props usw. um deine Spieler mit den wichtigen Infos zu überhäufen.[/li][li]Spare dir die subtilen und total krass clever versteckten Hinweise für unwichtigen Nebenkram auf. Wenn es einer findet, überschütte Sie mit coolem Stuff (Ruhm, Reichtum, Exp, Loot). Verhalten belohnen, das man sehen möchte, klappt meiner Erfahrung nach gut. Aber wenn’s keiner merkt, dann hängt nicht das ganze Abenteuer dran.[/li][li]Werde besser im Beschreiben und Kommunizieren der Spielwelt. Der SL ist das Fenster der Spieler in die Welt. Das einzige wohlgemerkt. Wenn dieses Problem oft passiert, kann es auch am SL liegen. Beschreibungen von Orten und NSCs sind z.B. nicht meine Stärke als SL. Da kommt es vor, dass den Spielern wichtige Infos fehlen, weil ich etwas nicht passend beschrieben habe. Arbeite ich dran und ich denke, dass kan jeder versuchen.[/li][/ul]
Danke, dass Sie zu diesem Seminar erschienen sind. Post ist mal wieder sehr lang geworden. Hoffe es war was hilfreiches dabei.