AW: Unspielbare Helden?
Nein, wieso? Ein Boron-Geweihter hat ja nicht in jedem Fall ein Schweige-Gelübde abgelegt, nur weil er Boron-Geweihter geworden ist. Derartige Strömungen gibt es auch in der Boron-Kirche, ist aber kein generelles Problem. Vielmehr sind Boron-Geweihte gehalten, sich nur auf das nötigste zu beschränken. Ein Boron-Geweihter wird sich also “ganz normal” mit Gesprächen in die Gruppe einbringen können. Nur wird er halt keine Plaudertasche sein und zu jeder Zeit aus dem Nähkästchen schnacken. Das macht das gesprochene Wort eines Boron-Geweihten schon wieder wertvoll.
Ich muss aus meiner eigenen Erfahrung als Spieler und Spielleiter sagen, dass es in der Tat per se keine unspielbaren Charaktere gibt. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Hier: die Kampagne/das Abenteuer und die Gruppenzusammensetzung. Aber auch die Art, wie Spieler ihre Charaktere spielen.
Bei einem Con-Abenteuer hatten wir in der Runde das Paradebeispiel von “Spieler passt nicht in die Gruppe”: Hexen sind oft ein Problem. Wegen Motivation und bestimmten Vorbehalten der Obrigkeit. Schlimm wird es dagegen, wenn der Spieler egoistisch und egozentrisch ist und nicht wahrnimmt, dass er mit seiner Art zu spielen (seine Hexe war noch dazu klemptomanisch) nicht nur die Gruppe nervt, sondern auch den Plot aufhält. Und bei einem Con-Abenteuer will man für gewöhnlich gerade in lauter Atmosphäre selten mal effektiv Ambiente-Rollenspiel machen, sondern eben ein bestimmtes Abenteuer durchspielen. Unter solchen Bedingungen könnte selbst ein einfacher Bauer zu einem Problem werden.
Schwierige Charaktere meiner Meinung nach sind Charaktere, die nicht unbedingt dem Durchschnittsaventurier entsprechen. Zwergen und Elfen haben zwar gewissen Exoten-Status, halte ich aber meist noch für recht spielbar. Achaz und anderes Echsengetier hingegen dürfte außerhalb ihres Lebensraumes in der Tat für mehr Ärger sorgen als effektiv die Gruppe voran zu bringen. Sei es, weil die Gruppe insgesamt Probleme mit der Bevölkerung hat (Vorurteile!) oder weil der Spielercharakter Probleme mit den niedrigeren Umgebungstemperaturen hat (Kältestarre!).
Auch Orks und Goblins halte ich persönlich für eher schwierig. Weiter als südlich des Mittelreiches wüsste ich nicht, was die Motivation des Charakters sein sollte und im Mittelreich, gerade im nördlichen, sind Goblins und vor allem Orks auch nicht gerade beliebt. Stichwort: Orkkriege in Weiden.
Ansonsten kommt es natürlich auch immer auf die Konstellation innerhalb der Gruppe an. Eine Gruppe muss Potential für zwischenmenschliche Konflikte bieten, um interessante Interaktionen und auch Charakter-Rollenspiel der Spieler untereinander zu ermöglichen. Aber in erster Linie braucht eine Gruppe neben eigenen Interessen und Motivationen der Charaktere auch eine gemeinsame Motivation, um überhaupt GEMEINSAM auf Abenteuer auszuziehen oder überhaupt ersteinmal eine Mission gemeinsam durchzuführen.
Fehlt diese Motivation, wird die Gemeinschaft sehr schnell zerfallen. Ebenso wird die Gemeinschaft sehr schnell zerfallen, wenn die gruppeninternen Konflikte soviel Spannungen erzeugen, dass es die Gruppe zerreißt.
Und dazu bedarf es nicht einmal sehr viel. Es reicht schon, einen Armbrustschützen, vielleicht sogar ein Zwerg, zusammen mit einem Krieger (rondragläubig), einem Dieb (Streuner), einem Au- oder Waldelfen und einen Weißmagier in eine Gruppe zu stecken. Nach DSA1/2 wäre das sogar eine recht “klassische” Konstellation, die aber aus heutiger Sicht eigentlich mehr Konfliktpotential enthält, als es einer Gruppe guttäte. Elf und Zwerg würden sich beharken, weil es sind Elf und Zwerg. Armbrustschütze und Krieger würden sich beharken, weil Fenrkampf vs. Nahkampf respektive Armbrust vs. Rondra-Glauben. Der Krieger würde dem Dieb/Streuner regelmäßig die Hammelbeine langziehen, wenn er mal wieder unehrenhaft kämpft und der Magier dem Dieb, wenn der sich an den Besitztümern des Magiers vergreifen will…
Also, alles in allem, immer eine Frage der Perspektive. Hier hilft es, wenn der Spielleiter sich bereits vor Beginn der Kampagne Gedanken über das Ziel und den Verlauf der Kampagne gemacht hat. Dann wird ihm recht schnell klar werden, welche Charaktere im Allgemeinen oder im Besonderen für Konflikte sorgen und somit für mehr Probleme sorgen als sie den Spielern und dem Spielleiter Spaß bringen.
Es macht überhaupt nichts, wenn ein Spielercharakter mit einzelnen Elementen des Abenteuers oder der Kampagne Magenschmerzen hat. Aber es sollte jedem Spieler und jedem Spielleiter klar sein, dass ein Praios-Geweihter in einer Gruppe nichts verloren hat, die es sich zum Ziel gemacht hat, das mächtigste und reichste Verbrecher-Syndikat Aventuriens zu werden…