[JUSTIFY]Sitzung 91 - Eclavdra vom Hause Eilserv
Sie hatten vorsichtig Höhle um Höhle abgesucht. In einer Sackgasse hatten sie eine weitere Kaverne entdeckt, die innere Wände in Form einer erkalteten Magmablase hatte. Auf dem geröllbedeckten Boden waren die Leichen von dunkelelfischen Kriegern zu sehen gewesen. Zudem hatten sie den toten Körper einer Frau bemerkt, die in silbern glitzernde dunkelelfische Gewänder gehüllt war. Eine Untersuchung der Leichen hatte ergeben, dass die Dunkelelfen durch grausame Wunden oder faule Magie getötet worden waren. Das Gesicht eines Kriegers war ihnen als besonders entstellt aufgefallen. Säure oder Feuer hatten es fast bis zur Unkenntlichkeit zerfressen. Bei einem anderen Dunkelelfen war der Schädel aufgespalten worden. Sie hatten die Leichname und die Höhle durchsucht und wertvolle magische Waffen und Rüstungen dunkelelfischer Machart gefunden. Wie in einer Art Hast schienen die Wertgegenstände der Leichen nicht geplündert worden zu sein. Neben Silber-, Gold- und Platinmünzen, hatten sie in der Höhle ein schwarzes Zauberbuch entdeckt, das mit dem Namen der Besitzerin gekennzeichnet gewesen war: Viconia. Weder Neire noch Triel war dieser Name begannt vorgekommen. Jedoch hatten sie beim Leichnam der Frau ein Symbol eines dunkelelfischen Hauses gefunden, das Neire als das Haus von Despana entschlüsselte. Von diesem Haus hatte Neire bereits in alten Schriften gelesen. Dass es mächtig gewesen war und als eines der ersten Häuser die Spinnengöttin Lolth angebetet hatte. Sie hatten daraufhin die Gegenstände mitgenommen und waren weiter den Spuren gefolgt, die sie durch eine Vielzahl von verlassenen Höhlen und Sackgassen geführt hatten. Schließlich war die Luft immer wärmer geworden und sie hatten ein tieffrequentes Grollen vernommen. Am Ende des großen natürlichen Ganges sahen sie jetzt einen rötlichen Schimmer. Für einen Augenblick verlangsamte der dunkle Krieger Bargh seine schweren Schritte. Er spürte die Hand seines jungen Begleiters an seiner Seite. Als er sich umdrehte und hinabblickte, bemerkte er das verdreckte Gesicht Neires. Leise bewegte der Jüngling den Mund als er zischelnd flüsterte „Lasst mich vorschleichen und sehen, was es mit dem Feuerschein auf sich hat. Falls dort ein Hinterhalt droht, werde ich den notwendigen Beistand unserer Göttin haben.“ Bargh nickte und legte Neire seinen Panzerhandschuh auf die Schultern. „Seid vorsichtig und vergesst nicht: Jiarlirae ist auf unserer Seite, wer kann uns schon aufhalten?“ Neire und Bargh hörten beide die Stimme von Triel. „Ich hoffe nicht, dass Elcavdra noch hier ist. Falls sie sich in diesen Höhlen befindet, hat sie uns sicherlich einen Hinterhalt gestellt. Unterschätzt sie nicht, Bargh.“ Als Neire bereits in der Dunkelheit verschwunden war, drehte sich Bargh zu Triel um. Es war das erste Mal seit er sie getroffen hatte, dass er diese Regung sah. Es war, als würde Triel Angst haben.
Vor ihm lag das rötliche Glühen, das sich in den dunklen Felsen des Tunnels reflektierte. Neire streifte sich vorsichtig den kristallenen Ring über, den sie in der Truhe bei Braunig, Kettra und Grimta gefunden hatten. Er hatte vielleicht zwei Dutzend Schritte zwischen seine Mitstreiter und seine jetzige Position gebracht. Zuvor hatte er einen kleinen Seitengang erforscht, der ihn in eine Höhle geführt hatte. Dort hatte er verlassene Lager der Dunkelelfen gefunden. Danach war er wieder in Richtung des rötlichen Schimmerns geschlichen und hatte ausspioniert, was er dort sehen konnte. Er war zu seinen Kameraden zurückgekehrt und hatte ihnen Anweisungen gegeben. Er wusste nun, dass er nicht lange zögern durfte. Bargh und Zussa hatten bereits begonnen ihre Gebete an Jiarlirae zu wirken. Triel hatte sich kampfbereit gemacht. Sie würden ihm bald folgen und er musste handeln. Neire schlich vorsichtig weiter; seine Hand spielte an dem neuen Ring. Er spürte die Mächte, die in dem Kristall schlummerten. Er wusste, wie er die schwarze Kunst der Dunkelelfen hervorrufen konnte. In alten Schriften von Nebelheim hatte er über die Beschwörungsringe der verhassten Rasse gelesen. Neire sah die Öffnung vor ihm liegen. Die Luft flimmerte in der Hitze. Es roch nach flüssigem Gestein. Neire drehte den Ring und konzentrierte sich. Er begann leichter zu werden. Dann verloren seine Stiefel den Bodenkontakt. Der Jüngling begann sich in die Luft zu heben. Er bemühte seinen Geist. Er spürte ein warmes Gefühl vom Ring ausgehen. Langsam schwebte er nach vorne und gewann an Höhe. Schon bald wurde er schneller und überblickte die glühende Grotte. Ein Fluss aus brodelndem Magma durchquerte die Mitte der Höhle. Der Strom war zwischen den Felsen versunken, als hätte sich das Magma dort tief in den Stein gefressen. Eine metallene Hängebrücke reichte über die Fluten hinweg. Das diesseitige Ende war in einem steinernen Podest befestigt. Auf dem gegenüberliegenden Ufer war das Konstrukt in Felsbrocken verhakt. Neire betrachtete die Kreaturen genau, die dort lauerten. Er schwebte in einigen Schritten Höhe über sie hinweg. Fünf dunkelelfische Krieger sah er auf seiner Seite. Gegenüber drei weitere und eine Frau, in enganliegende silberne Gewänder gekleidet. Sie zog Neires Aufmerksamkeit auf sich. Die Dunkelelfin hatte ein schönes, schlankes Gesicht, feiner elfischer Züge. Lange silberne Haare fielen wellenförmig hinab, bis über ihre weiblichen Hüften. Üppige Brüste wurden von einem Lederkorsett betont, welches in einem schwarzen Gürtel mit kleinen, runenverzierten Taschen endete. Geschmückt wurde ihr Haupt prinzessinnengleich von einem silbernen Diadem, auf dem das Wappen von Eilserv zu sehen war. Sie trug eine Peitsche, aus deren schwarzen Griff sich drei lange Tentakel wanden. Neire verlor sich für einen Augenblick in ihrer Schönheit, dann bemerkte er ihre purpurnen Augen, die voller Hass in Richtung des Tunnels starrten. Er steuerte seinen Schwebeflug über den Magmastrom und ließ sich, getarnt durch den elfischen Mantel, unweit der schönen Elfin zu Boden sinken. Niemand hatte seine Anwesenheit bemerkt. Er betrachtete weiter die Höhle und verharrte mit pochendem Herzen. Nicht lange musste er warten, da hörte er die Rufe der Dunkelelfen vom anderen Ufer. Dort war die Anführerin der Krieger zu sehen, die ein Kettenhemd und ein Schild aus milchig-weißem Stahl trug sowie ein golden glühendes Schwert hob. „Dort, sie kommen. Greift an!“, waren ihre Worte. Neire flüsterte Gebete an seine Göttin und begann zu handeln. Er stand nahe des Magmastromes, doch die Hitze, die einen einfachen Menschen bereits verbrannt hätte, machte ihm nichts aus. Er beschwor die Flamme aus schattenartigem Feuer in seiner linken, verbrannten Hand. Er streckte die Hand unter seinem Tarnmantel hervor, als das Feuer seiner Göttin zu tanzen begann. Die Dunkelelfin hatte gerade begonnen zu zaubern, da bemerkte sie die Flamme. Ungläubig schaute sie in seine Richtung. Neire spürte die Macht der brennenden Düsternis durch seinen Körper fließen. Obwohl die hübsche Frau feindselig in seine Richtung starrte, war alle Aufregung in ein freudiges Gefühl übergegangen. Wie damals im Wolfsfelsen, starrte er in die Flamme seiner linken Hand und ließ sich von ihren chaotischen Bewegungen treiben. Sein scharfer Verstand war das Ventil eines elementaren Meeres aus Chaos, eines älteren, urtümlichen Bösen. Es war ein Urmeer, aus dem er schöpfte, ein unendlich dimensionales Gebilde, das nur durch den ewigen Kampf der Dualität von Flamme und Düsternis aufrechterhalten wurde – ein Gebilde, dem der Gleichgewichtszustand fremd war. Er murmelte die Formeln der schwarzen Kunst, die nicht die seiner Göttin, sondern die seines Geistes waren. Doch er spürte ihre Macht. Dann streckte er beide Hände hervor und zeichnete die finale Rune. Ein Strahl von gleißendem Feuer ergoss sich aus seiner Hand, wurde breiter und höher, je weiter er hinfortbrach. Die hübsche Elfin und die drei Krieger, die sich mittlerweile zu ihrem Schutz um sie versammelt hatten, wurden einhüllt und waren für einen Moment nicht zu sehen. Neire konnte ein Brüllen und ein Kreischen aus dem infernalischen Feuer hören - Todesschreie. Als die Flammen herunterbrannten war der Anblick grauenvoll. Die drei Krieger waren zu rauchenden Überresten verbrannt. Ihre Körper waren von Hitze aufgeplatzt und Muskeln sowie Sehnen hatten sich versteift. Die Dunkelelfin stand dort und schaute ihn hasserfüllt an. Ihr Haar und ihre Haut standen in Flammen. Dann traf sie der Blitzstrahl, den Zussa vom anderen Ufer geschleudert hatte. Sie krümmte sich, sprang zu Seite und schwankte. Neire wollte schon triumphieren, da sah er, dass sie sich wieder aufrichtete. Blut lief von ihrem Gesicht, als sie ihre Peitsche hob. Auf der anderen Seite des Magmastroms bemerkte Neire die Gestalt von Bargh, der mit ausgebreiteten Flügeln auf das Podest sprang. Dort begann das Gemetzel, als sich Triel und Bargh ihren Gegnern entgegenwarfen. Neire wusste, dass er allein gegen die dunkelelfische Hexe kämpfen musste. Er musste seinen Zauber wirken, bevor sie ihn erreichen konnte. Hastig murmelte er das eine Wort und hielt die tanzende Flamme in die Höhe. Fünf faustgroße Kugeln aus Schatten und Magma lösten sich. Sie schlugen in die Kehle der Gestalt. Von seiner Gegnerin war jetzt nur noch in Gurgeln zu hören. Blut strömte aus dem geöffneten Hals, der von der Seite bis zum Kehlkopf zerfetzt war. Die Frau brach zu Boden und hauchte ihr Leben aus.
Zussa war in eine Rage geraten. Sie fühlte sich unbesiegbar. Die verhasste Dunkelelfin Triel war dicht vor ihr und kämpfte mit verbissener Genauigkeit. Zussa hatte gesehen, dass Triel von zwei Schwerthieben verletzt worden war. Sie hatten den zweiten Krieger niedergestreckt und stürmten auf das Podest aus dunklem Magmagestein. Als Zussa dort Bargh sah, wusste sie, dass der Sieg der ihre war. Eine Aura von Düsternis war um den unheiligen Krieger Jiarliraes. Bargh hatte seine schwarzen, rabenhaften Schwingen ausgebreitet und sein Schwert Glimringshert blutete dunkle Schatten. Der Rubin seines rechten Auges brannte unbarmherzig in der von ihm induzierten Dunkelheit. Zussa stürmte näher. Doch Triel und sie selbst kamen zu spät. Aus zwei Wunden blutend rammte Bargh seine Waffe auf die Anführerin nieder, die noch ihren Schild erhob. Doch Bargh schmetterte den Schild herunter. Sein Schwert drang tief zwischen Hals und Schulter. Röchelnd brach die Anführerin nieder. Zussa sah keine weiteren Gegner und blickte sich schwer atmend um. Auch an ihrem Säbel klebte das Blut der dunkelelfischen Krieger. In der linken Hand trug sie den Stecken, mit dem sie zuvor den Blitzstrahl beschworen hatte. Dann hörte sie die jugendliche Stimme durch das brodelnde Magma. Sie drehte sich ruckhaft um. Dort sah sie Neire über den blubbernden Fluten des Stromes schweben. Die Hitze konnte ihm nichts ausmachen. Sein Gesicht war von Asche verdreckt und seine Augen glühten wie Kohlen. Er hatte seinen Tarnumhang zurückgelegt und aus seiner linken, geöffneten Hand brannte die Chaosflamme Jiarliraes. „Ihr hättet das Spiel spielen sollen Triel. Eine Abmachung ist eine Abmachung. Ihr seid nicht mehr als ein Kind eurer hinterlistigen Rasse und wir mögen sie nicht – eure Art unsere Spiele zu spielen.“ Als Neires Zischeln lauter wurde, wandelte sich Zussas Hass in eine Mordlust. Freudig betrachtete sie Neire und erhob den Säbel. Neire zeichnete eine Rune in die Luft. In seinen Augen war jetzt ein brennendes Feuer. Drei kopfgroße Bälle aus purpurnem Feuer lösten sich aus der Chaosflamme und stürzten auf Triel zu. Die Dunkelelfin konnte gerade noch ihren Arm erheben. Dann hörte Zussa den grausigen Schrei, der die Explosion übertönte. Magmaflammen brannten von Triels linkem Arm. Fleisch und Muskelgewebe hatte sich dort aufgelöst und schwarz-verbrannter Knochen kam zum Vorschein. „Sie hatte es euch versprochen Zussa, doch sie wollte nicht mit euch spielen. Wir können nicht behaupten, ihr hättet sie nicht gewarnt.“ Die Worte Neires klangen wie die Musik von knisternden Flammen in Zussas Ohren. Sie näherte sich Triel und hob ihren Säbel. „Ja Triel, hört, was Neire sagt…“ Sie begann Triel nachzuäffen. „Wir sollten sie nicht unterschätzen. Eclavdra wird uns einen Hinterhalt stellen. Pah… Ihr hättet den Zweikampf nehmen sollen. Jetzt werdet ihr ein schönes, hässliches Opfer werden.“ Zussa begann auf den linken Arm zu hacken. In ihren Grauen war Triel wie erstarrt. Sie starrte Zussa an. Sie bettelte nicht um Gnade. Da war Hass in den roten Augen der Dunkelelfin. Doch das war Zussa egal. Sie schlug zu wie ein Metzger. Wieder und wieder. Doch der Arm wollte sich nicht lösen. Triels Kopf war bereits auf den Boden gesunken und Blut lief aus ihrem Mund. Schwer keuchend ließ Zussa schließlich ab. Schweiß strömte von ihrem Gesicht. Sie nahm den Leichnam von Triel und schleifte ihn hinab an den Rand des Magmastromes. Neire schwebte zu ihr hinüber und half ihr den schlaffen Körper aufzurichten. Ihre Blicke trafen sich kurz und Zussa musste lachen, als Neire zu ihr sprach. „Habe ich es euch nicht versprochen? Dass ihr sie opfern könnt.“ Der Jüngling lächelte sie jetzt an. Sie spürte diese tiefe Verbundenheit zu Neire; sie respektierte ihn als ihren Prophet Jiarliraes. Sie würde vielleicht sterben für ihn. Sie nickte und wurde ernst. Dann begann sie Triels Kiefer zu bewegen. Sie imitierte das Sprechen von Triel, ihre ruhige, kontrollierte Art. „Zussa, ich bin hier um mich Jiarlirae zu opfern. Ich diene der ewigen Flamme und der unteren Düsternis.“ Neire nickte ihr zu und versuchte Triel ebenfalls nachzuahmen. „Ich diene nur der Herrin, nur Jiarlirae.“ Zussa rief jetzt lauter. „Nährt eure Flammen mit einer weiteren Dienerin. Sie übergibt sich euren Schatten.“ Dann warf Zussa den Leib hinab. Das Geräusch war leise als der Körper in das Magma glitt. Triels Fleisch fing an zu brennen und sie wurde von der brennenden Magma hinfortgerissen. Obwohl ein Teil von Zussas Anspannung jetzt abfiel, zitterte sie noch am ganzen Körper. Sie wollte jubeln, doch dann sah sie Neire. Wie hypnotisiert starrte der schwebende Jüngling in rotglühenden Fluten.
Neire schaute hinab in den Glanz des sich wälzenden Stromes. Da waren die Runen. Sie tauchten auf, wurden weitergetragen und verschwanden. Er hatte sie bereits mehrfach gesehen. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Es war die Rune Firhu, die für die Gabe des Feuers und der Schatten stand. Und da war Zir’an’vaar, die Rune von Hingabe und von Opferung. Neire schloss für einen Moment die Augen und sah Bargh und Zussa vor sich. Sie waren beide in einem leeren Raum, sich nicht erkennend. Ein goldener Schimmer war dort zu sehen. Sie wirkten verloren und einsam, nicht wissend von dem Glück ihrer Gemeinsamkeit, ihrer Freundschaft. Da wusste Neire, dass es Bargh und Zussa sein würden, die verlassen auf einsamen Wegen wandeln würden. Ihre Hingabe, ihr Opfer wurde verlangt. Sie mussten die Gabe von Feuer und Schatten an diesen Ort bringen. Neire erwachte wie aus einer Trance und sprach feierlich zu Bargh und zu Zussa: „Ich habe die Zukunft gesehen, Bargh, Zussa. Zusammen müsst ihr hinfort gehen und gemeinsam werdet ihr wandern. Es ist Zir’an’vaar, die Rune von Hingabe und Opferung. Doch alleine werdet ihr euer Opfer erbringen müssen und die Gabe von Feuer und Schatten an jenen Ort tragen.“ Bargh nickte Neire zu, der rote Rubin schimmerte in seinem vernarbten, grimmigen Gesicht. Zussa mochte die Botschaft nicht. Ihr jubelndes Gesicht versteinerte sich. Dann fiel sie Neire um den Hals und fing an zu weinen.[/JUSTIFY]